Winterdepression
- Beschreibung
- Symptome
- Ursachen und Risikofaktoren
- Untersuchungen und Diagnose
- Behandlung
- Krankheitsverlauf und Prognose
- Vorbeugung
Winterdepression - Beschreibung
Die Winterdepression gehört zu den saisonal auftretenden Störungen des Gefühlslebens (SAD = seasonal affective disorder oder saisonal abhängige Depression). Wie der Name andeutet, tritt sie in der dunklen Jahreszeit auf: Winterdepressionen beginnen in den Herbstmonaten und enden meist im Frühling. In dieser Zeit klagen die Betroffenen über Energielosigkeit und übermäßige Traurigkeit. Sie haben ein ausgeprägtes Schlafbedürfnis und meist mehr Appetit als sonst, vor allem auf Süßes.
SAD treten deutlich seltener auch zu anderen Jahreszeiten (etwa im Sommer) auf. Manche Patienten mit SAD sind zudem nicht depressiv, sondern manisch. Das bedeutet, sie sind unangemessen euphorisiert, neigen zur Distanzlosigkeit und Selbstüberschätzung.
Saisonal auftretende Störungen des Gefühlslebens (SAD) wie die Winterdepression werden der Gruppe der "rezidivierenden depressiven Störungen" zugeordnet.
Nicht jede Depression im Winter ist eine Winterdepression
Natürlich erkranken auch im Winter Menschen an klassischen Depressionen. Nur etwa jede zehnte Depression, die im Winter auftritt, ist tatsächlich eine echte Winterdepression.
Schätzungen zufolge leiden in Europa etwa ein bis drei Prozent der Erwachsenen an einer SAD, in Deutschlad etwa neun Prozent.
Frauen sind häufiger von Winterdepressionen betroffen als Männer. Auch Kinder und Jugendliche können erkranken. In südlicheren Ländern kommen Winterdepressionen insgesamt seltener vor. In den nördlicheren Breiten, wo die Winter länger und dunkler sind, sind sie häufiger.
Winterblues
Eine harmlosere - weil deutliche schwächere - Form ist der Winterblues. Antriebslos und missgelaunt schleppen sich die Blues-Betroffenen durch die dunklen Tage, richtig depressiv sind sie aber nicht. Unter Fachleuten wird diese milder verlaufende Form auch subsyndromale SAD (s-SAD) genannt.
Winterdepression: Symptome
Die Symptome einer Winterdepression weichen in mancher Hinsicht von denen der klassischen Depression ab. So sind Menschen mit Winterdepression extrem müde bis hin zur Schlafsucht (Hypersomnie). Insbesondere am Morgen finden sie nur schwer aus dem Bett.
Ein weiteres typisches Symptom für eine Winterdepression ist ein gesteigerter Appetit und ein Heißhunger auf Kohlenhydrate, vor allem Süßigkeiten. Daher legen Betroffene im Winter regelmäßig an Gewicht zu.
Stärkeres Schlafbedürfnis und Lust auf Süßes sind im Winter nichts Ungewöhnliches. Erst wenn diese Bedürfnisse ausarten und zur Belastung werden, ist eine Behandlung notwendig.
Weitere Symptome einer Winterdepression sind:
- Energielosigkeit
- allgemeine Lustlosigkeit
- Unausgeglichenheit
- gedrückte Stimmung
- Gereiztheit
- Antriebslosigkeit
- Vernachlässigung sozialer Kontakte und der eigenen Person
Winterdepression: Ursachen und Risikofaktoren
Wenn jemand regelmäßig in der dunklen Jahreszeit depressiv wird, liegt das nach Expertenmeinung vor allem an den veränderten Lichtbedingungen im Winter: Depression in der dunklen Jahreszeit kann die Folge einer lichtbedingt veränderten Hormonproduktion sein.
Wenig Licht, viel Melatonin
Wenn es abends dunkel wird und weniger Licht ins Auge fällt, ist das ein Signal für die Zirbeldrüse tief im Inneren des Gehirns. Sie schüttet das Hormon Melatonin aus ? der Mensch wird müde. Da im Winter die Lichtintensität insgesamt geringer ist, wird auch tagsüber mehr Melatonin ausgeschüttet.
Bei Patienten mit einer Winterdepression ist der Informationsfluss von den Sehzellen im Auge ins Gehirn gestört. Die Betroffenen haben Sehzellen, die weniger lichtempfänglich sind als bei anderen Menschen. Ist im Winter Licht Mangelware, wird ihr Gehirn daher stärker zur Produktion des Schlafhormons angeregt als ohnehin im Winter üblich. Dies könnte eine Erklärung für die starke Müdigkeit und die depressiven Symptome sein.
Viel Melatonin, wenig Serotonin
Sehr wahrscheinlich ist auch der Nervenbotenstoff (Neurotransmitter) Serotonin an der Entstehung der Winterdepression beteiligt. Für die Produktion von Melatonin wandelt der Körper Serotonin um ? der Serotoninspiegel sinkt. Das hat Einfluss auf das Gemüt, denn Serotonin gilt als Glückshormon. Es hebt unter anderem die Stimmung. Antidepressive Medikamente, die den Spiegel an Serotonin im Gehirn erhöhen (SSRI = Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer), können daher eine Winterdepression bessern.
Fehlt dem Gehirn Serotonin, versucht es den Mangel auszugleichen: Eine unbändige Lust auf Süßes überkommt viele Menschen mit einer Winterdepression. Zucker und einige Inhaltstoffe von Schokolade helfen nämlich, den Gehirnzellen wieder mehr Serotonin zur Verfügung zu stellen.
Verstellte Biouhr
Der menschliche Körper folgt einem biologischen Rhythmus. Vor allem der Schlaf-Wach-Rhythmus wird dabei über den Lichteinfall im Auge reguliert. Bei Menschen mit Winterdepressionen ist die Biouhr offenbar verstellt: Der Körper schüttet erst verspätet Melatonin aus, und die Produktion läuft auch in den Morgenstunden auf höherem Niveau weiter.
Winterdepression: Diagnose
Nur ein psychiatrischer Facharzt ist in der Lage, einen leichten Winterblues von einer Winterdepression oder einer klassischen Depression zu unterscheiden. Deshalb sollten Sie nicht zögern, bei trüber Stimmung in der kalten Jahreszeit einen solchen Arzt aufzusuchen.
Anamnese
Zuerst wird sich der Arzt eingehend mit Ihnen unterhalten, um Ihre Krankengeschichte zu erheben (Anamnese). Dazu befragt er Sie genau zu Ihren Beschwerden (Art, Schwere, Dauer etc.). Zur besseren Einschätzung der depressiven Symptome kann er spezielle Fragebögen zuhilfe nehmen. Für die Diagnose einer Winterdepression sind die oben genannten, alljährlich in der dunklen Jahreszeit wiederkehrenden Symptome ausschlaggebend. Dabei treten die depressiven Symptome innerhalb mehrerer Wintersaisons auf und klingen binnen 90 Tagen wieder vollständig ab.
Weitere Aspekte des Anamnesegesprächs sind eventuelle Grunderkrankungen und die Anwendung von Medikamenten (manche Präparate können Depressionen auslösen oder verstärken).
Untersuchungen
An das Anamnesegespräch schließen sich eine körperliche Untersuchung (unter Berücksichtigung internistischer und neurologischer Aspekte), Blutuntersuchungen, Ultraschall (Sonografie) und in seltenen Fällen auch eine Kernspintomografie (Magnetresonanztomografie, MRT) des Kopfes an. So kann der Arzt andere mögliche Ursachen für die Beschwerden ausschließen. Das kann zum Beispiel ein Mangel an Vitamin B12, eine Demenz oder eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) sein. Auch verschiedene Medikamente können Depressionen auslösen oder verstärken.
Winterdepression: Behandlung
Lichttherapie
Die wichtigste Therapieoption für Patienten mit einer Winterdepression ist eine Lichttherapie, die den Tag künstlich verlängert. Dazu setzt sich der Patient zwei Wochen lang täglich vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang für maximal eine Stunde vor ein Lichtgerät mit etwa 2.500 Lux. Alternativ kann eine stärkere Lichtquelle mit 10.000 Lux verwendet werden. Dann reichen 30 Minuten Lichttherapie am Tag aus.
Mit Hilfe der Lichttherapie kann sich die Stimmung des Patienten bereits nach einigen Tagen aufhellen.
Zum Vergleich: Ein heller Sonnentag kann mit bis zu 100.000 Lux strahlen.
Medikamentöse Behandlung
Insbesondere bei schweren Winterdepressionen ist zusätzlich eine medikamentöse Behandlung nötig. Dabei werden Medikamente gegeben, die auch bei anderen Depressionsformen eingesetzt werden, vor allem Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI).
Auch die Einnahme von Johanniskraut hat sich bei Winterdepression bewährt. Wegen möglicher Wechselwirkungen mit diversen anderen Medikamenten, sollte Sie die Einnahme aber mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Zudem sollte Johanniskraut nicht in Kombination mit einer Lichttherapie angewendet werden, weil die Heilpflanze die Haut lichtempfindlicher macht, sodass die Bestrahlung leichter Hautschäden verursachen kann.
Psychotherapeutische Unterstützung
Zusätzlich zu Licht und Tabletten hilft auch eine Psychotherapie. Zur Behandlung einer Winterdepression hat sich beispielsweise die kognitive Verhaltenstherapie bewährt.
Was Sie selbst tun können
In den trüben Monaten braucht der Körper so viel natürliches Tageslicht, wie er bekommen kann. Das gilt nicht nur für Menschen mit Winterdepression, sondern für alle. Bewegen Sie sich also auch im Winterhalbjahr viel im Freien, etwa durch:
- Radfahren
- Joggen
- Langlaufen oder Skifahren
- Nordic Walking
- lange Spaziergänge
Die Bewegung an der frischen Luft sollte den Kreislauf möglichst früh am Tag aktivieren. Gehen Sie also in den ersten Morgenstunden ins Freie. Die Wintersonne scheint aber gerade nicht? Das macht nichts, denn selbst ein bedeckter Himmel ist deutlich heller als jede gewöhnliche künstliche Lichtquelle.
in gut durchstrukturiertes Tagesprogramm ratsam - es kann sich ebenfalls bei einer Winterdepression positiv auswirken.
Winterdepression: Krankheitsverlauf und Prognose
Die meisten Patienten mit einer Winterdepression haben eine gute Prognose, denn in der Regel hilft eine konsequente Behandlung. Im Frühling kündigt sich die Besserung mit Leistungssteigerung und Aktivitätszunahme an, im Sommer sind die Betroffenen symptomfrei.
Selten kommt es nach Abklingen der Winterdepression im März bis Mai zu einer Nachschwankung mit einer sehr gehobenen Stimmungslage. Die Übergänge zu einer manisch-depressiven Erkrankung (bipolaren Störung) sind hier fließend. Ein Facharzt für Psychiatrie kann die verschiedenen Krankheitsbilder voneinander abgrenzen.
Sind schon mehrere saisonal bedingte depressive Episoden (SAD) aufgetreten, ist die Gefahr relativ groß, im nächsten Herbst wieder mit der Stimmung einzubrechen. Der Rückkehr einer Winterdepression lässt sich mit einer antidepressiven Dauertherapie wirkungsvoll vorbeugen (Prophylaxe).
Winterdepression: Vorbeugung
Einer Winterdepression kann man vorbeugen: Bewegen Sie sich auch im Winterhalbjahr viel im Freien, um Tageslicht zu tanken. Zudem können Sie vorbeugend im Herbst mit einer Lichttherapie beginnen, wenn Sie schon in den Vorjahren unter Winterdepression litten. Je nach Schwere der Winterdepression kann - wie bei anderen Depressionen - gegebenenfalls auch die vorbeugende Einnahme von Antidepressiva sinnvoll sein. Diese werden dann in geringer Dosierung das ganze Jahr über eingenommen.
© Copyright © 1998-2024 NetDoktor - All rights reserved - NetDoktor is a trademark.
Dilling, H. & Freyberger, H. J.: Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen. Huber Verlag, 9. Auflage, 2019
Fischer-Börold, C & Krumme, F.: Depressionen. Schlütersche Verlagsgesellschaft, 1. Auflage, 2007
Hegerl, U. et al.: Das Rätsel Depression. Eine Krankheit wird entschlüsselt. Beck Verlag, 3. Auflage, 2016
Hegerl, U. & Niescken, S.: Depressionen bewältigen. Die Lebensfreude wiederfinden. Trias-Verlag, 3. Auflage, 2013
Huber, G.: Psychiatrie. Schattauer-Verlag, 7. Auflage, 2005
Krause, R. & Stange, R.: Lichttherapie. Springer-Verlag, 1. Auflage, 2012
Leucht, S. & Förstl, H.: Kurzlehrbuch Psychiatrie und Psychotherapie. Thieme Verlag, 2. Auflage, 2018
Machleidt, W. et al.: Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Thieme Verlag, 7. Auflage, 2004
Margraf, J. & Schneider, S.: Lehrbuch der Verhaltenstherapie. Springer Verlag, 4. Auflage, 2018
Mehler-Wex, C.: Depressive Störungen (Manuale Psychischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen). Springer-Verlag, 1. Auflage, 2008
Renneberg, B. et al.: Einführung Klinische Psychologie. Ernst Reinhardt Verlag, 1. Auflage, 2009