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  • 08. April 2022 ― Lesezeit: 3 Minuten
    Florian Tiefenböck, Arzt

    Skoliose-Übungen

    Skoliose-Übungen zielen vor allem auf die Rücken-und Bauch-Muskulatur, fördern die Aufrichtung des Körpers entlang der Wirbelsäule und sollen zu einer natürlichen Haltung verhelfen. Die Übungen sind vor allem bei leichten Wirbelsäulen-Verkrümmungen sinnvoll, schwere Formen lassen sich dadurch kaum verbessern. Lesen Sie hier mehr über Skoliose-Übungen.

    Ziele der Skoliose-Übungen

    Unter den Skoliose-Übungen gibt es zum einen gibt physiotherapeutische Anwendungen, bei denen der Patient kaum mitarbeiten muss. Zum anderen erlernt er krankengymnastische Übungen, die er aktiv zu Hause wiederholen kann. Die Skoliose-Übungen sollen in erster Linie dabei helfen, das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten und die bestehende Krümmungen der Wirbelsäule zu reduzieren. Weitere Ziele von Skoliose-Übungen sind:

    • Verbesserung der Körperhaltung
    • Stärkung der Muskelkraft
    • Beseitigungen von Krümmungen nach vorne (Lordose) und hinten (Kyphose)
    • Steigerung der Lungen- und Herzfunktion

    Es gibt zahlreiche Übungen gegen Skoliose und verschiedene physiotherapeutische Behandlungskonzepte. Ob sie tatsächlich ihre Ziele erfüllen können, ist nach wie vor umstritten. Studien konnten eine Wirksamkeit solcher Übungen bisher nicht eindeutig nachweisen. Dennoch empfehlen Ärzte, Skoliose-Übungen auch im Rahmen einer Korsettbehandlung oder einer operativen Therapie unbedingt durchzuführen.

    Skoliose-Übungsmethoden

    Es gibt mittlerweile über 100 verschiedene Methoden der Krankengymnastik und Alternativmedizin, eine Skoliose zu behandeln. Im Folgenden werden drei bekannte und verbreitete Therapieansätze genauer beschrieben.

    Klapp?sches Kriechen

    Der deutsche Chirurg Rudolf Klapp entwickelte bereits 1905 Übungen bei Skoliose. Sie werden im Vierfüßlerstand ausgeführt. Filz- oder Schaumstoffpolster schützen dabei Hände, Füße und Knie. Bei den einzelnen Skoliose-Übungen ?kriechen? die Patienten beispielsweise auf Händen und Knien (z.B. Pass- oder Kreuzgang) oder rutschen durch das Strecken der Arme nach vorne (Rutschhalte). Das soll die Rumpfmuskulatur kräftigen und dehnen sowie die Wirbelsäule beweglicher machen.

    Vojta-Technik (neurophysiologische Bewegungsbahnung)

    Die Skoliose-Übungen des tschechischen Neurologen Václav Vojta werden unter dem Begriff Reflexlokomotion zusammengefasst. Ein Reflex ist die immer gleiche körperliche Reaktion auf einen bestimmten Reiz.

    Bei der Vojta-Technik liegen die Patienten entweder auf dem Bauch, dem Rücken oder auf der Seite. Anschließend drückt der Therapeut auf bestimmte Körperstellen um gezielt Bewegungsreflexe auszulösen. Dabei werden wiederum Nerven angeregt, die bestimmte Muskeln versorgen. Diese Skoliose-Übungen wendet man vor allem bei Säuglingen und kleinen Kindern an um das Ungleichgewicht einzelner Muskelgruppen ausgleichen zu können.

    Die Vojta-Technik kann auch bei Erwachsenen und zahlreichen anderen Nerven- oder Muskelerkrankungen helfen (z.B. Querschnittslähmung, kindliche Hirnschädigungen, Schlaganfall, Multiple Sklerose). Sie wirkt auf die Gleichgewichtssteuerung, Körperaufrichtung und zielgerichtete Bewegungsabläufe (z.B. mit den Händen greifen). Diese Vorgänge laufen bei Gesunden automatisch ab, sind bei verschiedenen Krankheiten aber deutlich eingeschränkt.

    Bei regelmäßiger Anwendung dieser Skoliose-Übungen nach Vojta können die zuständigen Nervenbahnen leichter aktiviert werden (Bahnung). Neben der Körperhaltung beeinflusst die Technik auch verschiedene Körperfunktionen, beispielsweise die Atmung, Blasen- und Darmfunktion oder das Sprechen und Schlucken.

    Dreidimensionale Skoliose-Übungen nach Schroth(-Lehnert)

    Diese Methode wurde von der Gymnastiklehrerin Katharina Schroth begründet und nachfolgend weiterentwickelt. Der Patient betrachtet sich im Spiegel und korrigiert dabei zusammen mit dem Therapeuten bestmöglich seine falsche Körperhaltung. Anschließend soll er bewusst Gelenkstellungen, Muskellängen oder Bänderdehnungen wahrnehmen und verinnerlichen.

    Umgekehrt soll der Betroffene falsche Körperpositionen, die eine Skoliose fortschreiten lassen, erkennen und vermeiden (z.B. krummes Sitzen im Beruf). Diese Skoliose-Übungen schulen zusammenfassend Koordination, Haltung und Bewegungen. Sie sollen zunehmend unterbewusst in den Alltag eingebaut werden.

    Drehwinkelatmung

    Zu den Skoliose-Übungen nach Schroth gehört auch die sogenannte Drehwinkelatmung. Durch bewusstes Einatmen (bei Drehung und Streckung des Oberkörpers) sollen die Rippen auf der Seite wieder nach vorne gedrückt werden, wo die verdrehte Wirbelsäule einen abgeflachten Brustkorb bewirkt. Idealerweise dreht sich zeitgleich auch die Wirbelsäule mit und erreicht eine gesündere Position.

    Weitere Skoliose-Übungen

    Neben den genannten Therapiemethoden gibt es noch viele weitere Skoliose-Übungen. Auch alternative Heilungsansätze wie die Osteopathie oder Chiropraktik finden in der Skoliosetherapie Anwendung. In der Regel werden verschiedene Skoliose-Übungen durchgeführt und miteinander kombiniert. Die folgende Tabelle soll einen Überblick geben:

    Ziel

    Beispiele geeigneter Skoliose-Übungen oder Therapieformen

    Stärkung der Rumpfmuskulatur

    • Medizinisches Krafttraining (MTT)
    • Funktionelle Bewegungslehre nach Klein-Vogelbach (bspw. mit einem Gymnastikball)
    • Skoliose-Übungen an der Sprossen- oder Kletterwand
    • Skoliose-Übungen nach Schroth
    • Stemmführung nach Brunkow

    Aufrichtung der Wirbelsäule

    • Schulung des Zusammenspiels zwischen Bewegungs- und Positionsfühlern, Muskeln und Nerven mittels Propriozeptiver Neuromuskulärer Fazilitation (PNF) oder Stochastischer Resonanz-Therapie auf Vibrationsgeräten (SRT)
    • Kräftigung der Muskulatur auf der Krümmungsseite, Dehnen der entgegengesetzte Seite
    • Manuelle Therapie (z.B. Gelenktherapie nach Dorn und Massagen nach Breuß)
    • Atemtherapie (z.B. Drehwinkelatmung nach Schroth)

    Erhalten des (erreichten) Zustandes

    • Ausgewählte Sportarten
    • Rückenschule
    • Fortführung der zuvor erlernten Skoliose-Übungen

    Welche Sportarten sind geeignet bei Skoliose?

    Bei Skoliose Sport zu treiben ist nicht nur möglich, sondern sogar absolut empfehlenswert. Davon ausgenommen sind allerdings schwere Wirbelsäulenverkrümmungen mit Einschränkungen der Herz-Lungen-Funktion. Bewegungsmangel fördert das Voranschreiten der Skoliose. Sport stärkt dagegen die Rücken- und Rumpfmuskulatur und ergänzt Skoliose-Übungen optimal. Auch nach operativen Eingriffen kann der Patient nach einer gewissen Zeit wieder Sport machen.

    Sportarten mit ruckartigen Stoß- und Drehbewegungen sollten Betroffene meiden. Dazu zählen beispielsweise Bodybuilding, Gewichtheben, Tennis, Trampolinspringen, freies Reiten oder Golf. Besonders geeignete Sportarten hingegen sind:

    • Nordic Walking und Wandern
    • Inlineskaten, Rollschuhfahren, Schlittschuh- oder Skilanglauf
    • Radfahren
    • Schwimmen (insbesondere Rücken- und Kraulschwimmen), Wassersportübungen (z.B. Wassergymnastik)
    • Therapeutisches Reiten
    • Yoga, Pilates

    Auch Joggen ist sinnvoll bei Skoliose, allerdings sollte hier auf passendes Schuhwerk geachtet werden. Außerdem sind weiche Böden (Wald, Wiese) geeigneter als Asphalt. Tanz- oder Gymnastiksport, wie beispielsweise Aerobic, kann ebenfalls einer Skoliose entgegenwirken. Allerdings sind Skoliosen bei Kunstturnerinnen und Balletttänzerinnen gehäuft zu finden, weswegen ein direkter Nutzen umstritten bleibt. Als optimaler Sport bei Skoliose gilt Klettern. Es gibt sogar spezielle Skoliose-Übungen für Kletter- und Sprossenwände.


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    Heisel, J.: Physikalische Medizin - Praxiswissen Halte- und Bewegungsorgane, Georg Thieme Verlag, 1.Auflage, 2005
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    Deutsches Skoliose Netzwerk (DSN), Physiotherapie, unter: www.deutsches-skoliose-netzwerk.de (Abrufdatum: 08.04.2022)
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    S1 Leitlinien zum speziellen Rehabilitationskonzept bei Wirbelsäulendeformitäten (Stand 2012, abgelaufen 2017, Leitlinie zur Zeit überarbeitet), unter: www.awmf.org (Abrufdatum: 08.04.2022)

     

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