Dr.Monique Amey-Özel, Biologin und Medizinredakteurin
Schlaganfall – Folgen
- Was sind die Folgen eines Schlaganfalls?
- Bewegungs-Störungen
- Neglect und andere Aufmerksamkeits-Störungen
- Sprach- und Sprech-Störungen
- Schluck-Störungen
- Seh-Störungen
- Gefühls-Störungen
- Gedächtnis-Störungen
- Persönlichkeits-Veränderungen
- Sonstige Schlaganfall-Folgen
- Prognose
Was sind die Folgen eines Schlaganfalls?
Ungefähr die Hälfte aller Patienten, die einen Schlaganfall überleben, tragen bleibende Schäden davon, die das Alltagsleben nachhaltig verändern. Art und Ausmaß dieser Schlaganfall-Folgen hängen davon ab, welches Hirn-Areal wie schwer geschädigt ist. Sehr oft sind die Betroffenen durch die Schlaganfall-Folgen pflegebedürftig oder sogar schwerstbehindert. Eher selten, beispielsweise bei einem leichten Hirnschlag oder einer TIA (transitorische ischämische Attacke), bleibt ein Schlaganfall ohne Folgen.
Bewegungs-Störungen
Nach einem Schlaganfall weisen viele Betroffene Bewegungs-Störungen (motorische Defizite) auf. Das Spektrum reicht von leichten Gang-Unsicherheiten bis hin zu umfangreichen Lähmungen. Sehr oft tritt zum Beispiel eine unvollständige Halbseiten-Lähmung (Hemiparese) auf: Sie betrifft nicht nur Arm und Bein, sondern auch das Gesicht. Die halbseitige Gesichts-Lähmung ist etwa an einem herabhängenden Mundwinkel und schlaffem Augenlid erkennbar. Auch Sprechen, Kauen und Schlucken sind meist durch die Lähmung beeinträchtigt.
Weitere häufige Schlaganfall-Folgen sind Ataxie und Apraxie. Der Begriff Ataxie bezeichnet eine gestörte Koordination der Bewegung. Das betrifft sowohl die Grobmotorik (zum Beispiel das Gehen) als auch die Feinmotorik (etwa das Schreiben).
Bei der Apraxie ist die Ausführung von komplexeren Bewegungsabläufen wie die Haare zu kämmen oder Briefe zu öffnen gestört. Die dafür notwendige Motorik beziehungsweise die einzelnen Bewegungen (wie Arm auf Kopfhöhe anheben) sind dagegen nicht beeinträchtigt. Die Apraxie tritt oft bei einer Schädigung der linken Hirnhälfte auf.
Neglect und andere Aufmerksamkeits-Störungen
Schlaganfall-Patienten mit einem Neglect verhalten sich so, als ob eine Seite des Außenraumes (einschließlich des eigenen Körpers) nicht vorhanden wäre. Meist handelt es sich um die linke Seite (aufgrund einer Schädigung in der rechten Hirnhälfte).
Dinge in der betroffenen Raumhälfte werden vernachlässigt, also einfach nicht beachtet, als ob sie nicht existieren würden. Der Körper empfängt die Sinnes-Reize zwar, nimmt sie aber nicht bewusst wahr. Die Patienten selbst merken dies meist gar nicht, da ihnen die Störung aufgrund der fehlenden Wahrnehmung nicht bewusst ist. Aus diesem Grund ist ein Neglect auch äußerst schwer zu behandeln.
Beim Neglect ist die räumliche Aufmerksamkeit gestört. Es gibt aber noch andere Formen von Aufmerksamkeits-Störung, die als Schlaganfall-Folgen mitunter auftreten. Manche Patienten haben etwa Probleme mit der selektiven Aufmerksamkeit: Ihnen fällt es schwer, sich auf eine Sache zu konzentrieren und nicht relevante Reize entsprechend auszuschalten. Nach einem Hirnschlag ist oft auch die Vigilanz (Dauer-Aufmerksamkeit) beeinträchtigt, also die Fähigkeit, die eigene Aufmerksamkeit einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten.
Sprach- und Sprech-Störungen
Die sprachliche Kommunikation ist bei vielen Betroffenen nach einem Hirnschlag auf unterschiedliche Weise beeinträchtigt. So zieht schon ein leichter Schlaganfall Folgen im Sprach-Bereich nach sich, genauer gesagt eine leichte Aphasie: Bei dieser Sprach-Störung fällt es Patienten schwer, ihre Gedanken verständlich zu machen oder zu verstehen, was andere ihnen sagen. Das wirkt sich auch auf das Lesen und Schreiben aus.
Sprech-Störungen sind ebenfalls mögliche Folgen eines Schlaganfalls: Die Betroffenen sprechen abgehackt, verwaschen, monoton und langsam oder überstürzt.
Schluck-Störungen
Weit verbreitete Schlaganfall-Folgen sind Schluck-Störungen (Dysphagien). Bei einer halbseitigen Gesichts-Lähmung etwa haben Patienten Probleme, Flüssigkeiten im Mund zu behalten oder die Nahrung zu einem gut schluckbaren Ballen zu formen.
Fataler wirkt sich ein gestörter Schluck-Reflex aus, der auf einer Schädigung im Hirnstamm beruht. Normalerweise schließen sich beim Schlucken reflexartig die Stimmlippen, während der Kehldeckel die Luftröhre verschließt.
Ist dieser Reflex gestört und schließt der Kehldeckel nicht ordnungsgemäß, gelangt Nahrung in die Luftröhre und der Betroffene verschluckt sich (Aspiration). Das verursacht dann heftige Hustenattacken bis hin zu Erstickungsanfällen. Außerdem besteht die Gefahr, dass Nahrungspartikel in die Lunge geraten und eine Lungen-Entzündung auslösen (Aspirations-Pneumonie).
Eine solche Aspirations-Pneumonie entwickelt sich auch, wenn durch die Hirn-Schädigung der Hustenreiz ausgeschaltet ist. Dann lassen sich verschluckte Nahrungsreste nicht durch Husten nach außen befördern. Mediziner sprechen von "stummer Aspiration".
Auf Schluck-Störungen nach einem Schlaganfall folgen oft Mangel- oder Fehl-Ernährung sowie Flüssigkeitsmangel: Das Schlucken ist bei manchen Patienten so mühsam, dass sie in der Folge zu wenig Nahrung und Flüssigkeit zu sich nehmen.
Seh-Störungen
Auf einen Schlaganfall folgen sehr häufig Seh-Störungen. Welcher Art sie sind, hängt davon ab, welcher Teil der Seh-Bahn (Seh-Nerv, Seh-Zentren im Gehirn) von der Hirn-Schädigung betroffen ist.
Viele Patienten haben zum Beispiel ein verengtes Blickfeld: Die Randzonen sind verdunkelt, als ob der Patient durch eine Röhre oder einen Tunnel blicken würde (Tunnelblick). Manchmal fehlt auf beiden Augen das halbe Gesichtsfeld (Hemianopsie). Der Gesichtsfeld-Ausfall betrifft manchmal auch nur einen kleineren Teil des Blickfelds, etwa nur ein Viertel (Quadranten-Anopsie) oder einen kleineren Teil (Skotom).
Hat der Hirnschlag das sogenannte sekundäre Seh-Zentrum im Gehirn geschädigt, sehen die Patienten zwar ihre Umgebung, sind aber nicht mehr in der Lage, sie zu erkennen und zu benennen. Weitere mögliche Schlaganfall-Folgen im visuellen Bereich sind zum Beispiel Doppeltsehen, Augenflimmern und kurzzeitige Erblindung auf einem Auge.
Gefühls-Störungen
Nach einem Schlaganfall nehmen viele Betroffene in einzelnen Bereichen einer Körperhälfte Sinnes-Empfindungen nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr wahr. Die Patienten spüren etwa Berührungen, Schmerzen und Temperatur-Reize in der jeweiligen Körper-Region kaum oder überhaupt nicht.
Gedächtnis-Störungen
Störungen des Gedächtnisses zählen ebenfalls zu den häufigen Schlaganfall-Folgen. Manche Patienten haben zum Beispiel Probleme, gespeichertes Wissen abzurufen, das vor dem Hirnschlag erworben wurde. Andere sind kaum oder gar nicht in der Lage, sich neue Informationen zu merken. Das liegt unter Umständen aber auch an einer Aufmerksamkeits-Störung.
Die Art der Gedächtnis-Störung lässt oft auf den Ort der Hirn-Schädigung schließen. Erinnert sich ein Schlaganfall-Patient zum Beispiel nicht mehr an Fakten-Wissen (wie die Hauptstadt von Großbritannien, berufliche Kenntnisse oder Kochrezepte), hat der Hirnschlag das sogenannte semantische Gedächtnis im linken Schläfenlappen beeinträchtigt. Eine Schädigung im rechten Stirnlappen wirkt sich dagegen auf das episodische Gedächtnis aus. Das ist der Sitz persönlicher Erlebnisse wie der eigenen Hochzeit.
Persönlichkeits-Veränderungen
Als Folge eines Schlaganfalls verändert sich bei einigen Betroffenen die Persönlichkeit. Manche sind dann teilnahmslos oder zeigen Anzeichen von Resignation und Depression. Andere neigen zu zwanghaftem Weinen oder bekommen plötzliche Wutausbrüche. Das erfordert viel Verständnis und Geduld von Seiten der Angehörigen und Betreuer.
Sonstige Schlaganfall-Folgen
Auf einen Schlaganfall folgen oft noch weitere Störungen und Beeinträchtigungen. So verändert etwa ein Infarkt im Hirnstamm neben den erwähnten Seh-Störungen und Gesichts-Lähmungen zum Beispiel auch den Geschmacks-Sinn oder verursacht eine Hör-Störung (Hörsturz oder Tinnitus). Manche Patienten leiden auch unter Stuhl- oder Harn-Inkontinenz. Weitere häufige Schlaganfall-Folgen sind Gleichgewichts-Störungen und Schwindel. Sie beruhen auf einer Schädigung im Kleinhirn oder Hirnstamm und erhöhen die Sturzgefahr.
Prognose von Schlaganfall-Folgen
Ob und in welchem Ausmaß sich Schlaganfall-Folgen von allein oder mittels Therapie bessern, ist sehr unterschiedlich. Dass eine Rückbildung von Bewegungs-Störungen und manchen anderen Auswirkungen des Hirnschlags überhaupt möglich ist, liegt an der sogenannten Plastizität des Gehirns: Durch Umorganisation von Nerven-Verbindungen besteht die Möglichkeit, dass andere Hirn-Areale die Aufgaben der geschädigten Hirn-Region übernehmen.
Generell hängt die Prognose von Schlaganfall-Folgen von vielen verschiedenen Faktoren ab. Dazu zählen das Alter des Patienten, der Schweregrad der Schäden und die Art der Therapie.
Bewegungs-Störungen etwa, die zu den häufigsten Schlaganfall-Folgen zählen, verschwinden selten vollständig wieder. In den meisten Fällen bessern sie sich aber innerhalb von acht bis zwölf Wochen nach dem Schlaganfall. Es gibt allerdings auch Patienten, bei denen die Rückbildung Monate oder Jahre dauert.
Bei Schlaganfall-Patienten mit vielen, kleinen Gefäß-Verschlüssen im Gehirn (lakunäre Infarkte), rein motorischen Ausfällen und intakter Körperwahrnehmung sind die Erfolgsaussichten einer Therapie meist gut. Das gilt selbst dann, wenn in der Akutphase nach dem Anfall eine schwere Halbseiten-Lähmung besteht. Schlechter fällt die Prognose bei zusätzlichen neurologischen Schlaganfall-Folgen aus, etwa wenn der Patient auch noch eine Aphasie (Sprach-Störung) oder einen Neglect aufweist.
© Copyright © 1998-2024 NetDoktor - All rights reserved - NetDoktor is a trademark.
Stiftung Deutsche Schlaganfall Hilfe: Was ist ein Schlaganfall?, unter: www.schlaganfall-hilfe.de (Abrufdatum: 07.03.2022)
Berufsverbände für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland: Folgen eines Schlaganfalls, unter: www.neurologen-und-psychiater-im-netz.de (Abrufdatum: 07.03.2022)
Deutsche Gesellschaft für Neurologie: www.dgn.de (Abruf: 28.02.2018)
S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN): Rehabilitation von sensomotorischen Störungen (Stand: November 2017), unter: www.awmf.org (Abrufdatum: 07.03.2022)
S2e-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN): Diagnostik und Therapie von Aufmerksamkeitsstörungen bei neurologischen Erkrankungen (Stand: Dezember 2011, in Überarbeitung), unter: www.awmf.org (Abrufdatum: 07.03.2022)
S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN): Neurogene Dysphagie (Stand: Februar 2020), unter: www.awmf.org (Abrufdatum: 07.03.2022)
S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM): Schlaganfall (Stand: Februar 2020), unter: www.awmf.org (Abrufdatum: 07.03.2022)
Mehrholz, J.: Frühphase Schlaganfall, Georg Thieme Verlag, 2008
Hartje, W.: Klinische Neuropsychologie, Georg Thieme Verlag, 2006
Kompetenznetz Schlaganfall: Was ist ein Schlaganfall?, unter: www.kompetenznetz-schlaganfall.de (Abrufdatum: 07.03.2022)
Informationsbroschüre der Stiftung Deutsche Schlaganfall Hilfe: Schlaganfall (Stand: November 2020), unter: www.schlaganfall-hilfe.de (Abrufdatum: 07.03.2022)