Martina Feichter, Medizinredakteurin und Biologin
Dr.Maximilian Reindl, (Bio-)Chemiker
Polyneuropathie
Kurzübersicht- Was ist eine Polyneuropathie? Eine Gruppe von Erkrankungen, bei denen periphere Nerven Schaden nehmen.
- Symptome: Abhängig davon, welche Nerven geschädigt sind: Häufig kommt es zu Missempfindungen, Kribbeln, Schmerzen und Taubheitsgefühlen in Beinen und/oder Armen, Muskelschwäche, Muskelkrämpfen und Lähmungen, Störungen der Blasenentleerung, Verstopfung oder Durchfall, Impotenz oder Herzrhythmusstörungen.
- Schweregrade: Grad 1 (mild) bis Grad 4 (lebensbedrohlich).
- Prognose: In den meisten Fällen keine Heilung möglich. Bestehende Funktionseinschränkungen bleiben bestehen. Krankheitsfortschritt kann jedoch verlangsamt oder ? je nach Ursache ? gestoppt werden.
- Ursachen: Vor allem Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) und Alkoholmissbrauch. Weitere Ursachen sind andere erworbene Erkrankungen, Vergiftungen oder bestimmte Krebsbehandlungen. Seltener ist eine Polyneuropathie genetisch bedingt. Manchmal lässt sich keine Ursache finden.
- Untersuchungen: Körperliche Untersuchung, Elektroneurografie (ENG), Elektromyografie (EMG), Blutuntersuchungen, etc.
- Therapie: Wenn möglich, wird die Ursache beseitigt oder behandelt. Zudem lassen sich die Symptome gezielt behandeln (etwa mit Medikamenten, TENS, Krankengymnastik, Wechselbädern, Wickeln, orthopädischen Hilfsmitteln).
Was ist eine Polyneuropathie?
Polyneuropathien sind eine Gruppe von Erkrankungen des peripheren Nervensystems. Dabei nehmen Nerven, die sich außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks befinden (sogenannte periphere Nerven), Schaden. Dies beeinträchtigt die Reizweiterleitung in den Nervenbahnen, was in Missempfindungen, Sensibilitätsstörungen oder auch Schmerzen mündet.
Oftmals entwickeln sich Polyneuropathien als Folge einer zugrundeliegenden Vorerkrankung. Einige solcher Auslöser sind beispielsweise weit fortgeschrittene Diabetes mellitus-Erkrankungen (diabetische Neuropathie), Alkoholismus (alkoholische Polyneuropathie), bestimmte Infektionskrankheiten, der Kontakt zu Giftstoffen (toxische Polyneuropathie) aber auch Krebserkrankungen beziehungsweise deren chemotherapeutische Behandlung.
Da die Ursachen für Nervenschäden ? ebenso wie die individuelle Ausprägung des Krankheitsbilds ? vielfältig sein können, schwanken die Angaben zur Häufigkeit. Man schätzt, dass eine Person von 2.000 Einwohnern von Polyneuropathien betroffen sein könnte. Die Häufigkeit steigt mit zunehmendem Alter an.
Die Polyneuropathie wird oftmals auch als "Periphere Polyneuropathie" oder "Periphere Neuropathie" (PNP) beschrieben.
Welcher Teil der Nervenzellen wird geschädigt?
Jede Nervenzelle setzt sich aus einem Zellkörper und einem Nervenfortsatz (Axon) zusammen.
Axone kann man sich wie elektrisch leitende Kabel vorstellen. Der Körper muss sie für die optimale elektrische Reiz- oder Signalweiterleitung mit einer Isolierschicht ummanteln. Diese wird Myelinschicht oder Markscheide genannt.
Bei einer Polyneuropathie können unterschiedliche Teile dieser Nervenfortsätze geschädigt sein. Man unterscheidet:
Demyelinisierende Polyneuropathie: Bei dieser Neuropathieform zerfällt die schützende Myelinschicht. Die elektrische Reizweiterleitung wird gestört. Je nach Ursache kann sich eine demyelinisierende Neuropathie (zumindest) teilweise auch wieder bessern.
Axonale Polyneuropathie: Dabei ist das Axon selbst betroffen. Meist geht eine axonale Degeneration der Nerven mit schwerwiegenderen Beschwerden einher und weist eine deutlich schlechtere Prognose auf.
In bestimmten Fällen treten auch beide Formen kombiniert auf, sodass Myelinschicht und Axone gleichermaßen geschädigt sind.
Polyneuropathie Formen
Je nach Ausprägung und Körperstelle, an dem die Nervenschäden auftreten, unterscheiden Ärzte:
- Symmetrische Polyneuropathien: Die Nervenschädigungen betreffen beide Körperhälften.
- Asymmetrische Polyneuropathien: Die Nervenschädigungen betreffen nur eine Körperseite.
- Distale Polyneuropathien: Die Schäden an den Nervenbahnen betreffen hauptsächlich Körperregionen, die vom Rumpf bzw. der Körpermitte entfernt liegen (bspw. Hände, Beine, Füße).
- Proximale Polyneuropathie: Eine seltene Form der Neuropathie, bei der sich die Erkrankung auf die rumpfnahen Körperteile beschränkt.
Wie äußert sich eine Polyneuropathie?
Eine Polyneuropathie kann sich je nach Schweregrad unterschiedlich ausprägen. Man unterscheidet daher sensible von motorischen und autonomen Störungen ? welche Symptome dabei auftreten hängt von den jeweils individuell geschädigten Nerven ab.
Polyneuropathie-Symptome: Sensible Nerven
Nerven, die von der Haut zum Gehirn führen, werden "sensible" oder sensorische Nerven genannt. Sie leiten Informationen von Berührungsreizen, dem Druck-, Temperatur- oder Schmerzempfinden sowie von Vibrationen an das Gehirn weiter.
Störungen sensibler Nerven äußern sich meist durch Missempfindungen, Kribbeln, Brennen oder stechenden Schmerz. Taubheitsgefühle sind ebenfalls mögliche Folgen.
Die Zehen sind häufig als erstes betroffen. Sind die Beine betroffen, können sich Koordinationsprobleme beim Gehen entwickeln. Ist das Temperaturempfinden gestört, kann es leichter zu Verletzungen kommen ? beispielsweise Verbrennungen.
Menschen mit ausgeprägter Polyneuropathie nehmen meist auch Schmerzen nur vermindert wahr. Auch dies kann das Verletzungsrisiko erhöhen.
Die meisten Polyneuropathien gehen mit sensiblen Störungen einher.
Polyneuropathie-Symptome: Motorische Nerven
Motorische Nerven leiten Signale vom Gehirn zu den Skelettmuskeln. Sie lösen dort Muskelkontraktionen aus, was die Grundlage für (willentliche) Bewegungen bildet. Bei einer motorischen Polyneuropathie sind ebendiese Nerven geschädigt.
Das hat zur Folge, dass die betreffenden Muskeln an Kraft verlieren. Im schlimmsten Fall treten Muskellähmungen auf. Auch Muskelkrämpfe sind möglich. Betroffene Patienten sind in weit fortgeschrittenen Stadien möglicherweise auf mechanische Hilfen angewiesen (bspw. Rollator, Rollstuhl).
Generell gilt: Wenn Muskelgewebe längere Zeit unzureichend oder gar nicht mehr über die Nerven angesteuert wird, degeneriert es ? es schrumpft und schwindet. So kann eine motorische Polyneuropathie in schweren Fällen zu Muskelschwund führen (Muskelatrophie). Bei den Skelettmuskeln (insbesondere Arm- und Beinmuskulatur) passiert das besonders schnell.
Polyneuropathie-Symptome: Autonome Nerven
Die autonomen (vegetativen) Nerven steuern die Funktion von inneren Organen wie Herz, Lunge, Magen, Darm, Geschlechtsorganen oder Blase. Sie sind nicht dem Willen unterworfen. Man kann also zum Beispiel dem Herzmuskel nicht bewusst befehlen, sich zu zusammenzuziehen ? sie agieren ?autonom?.
Sind solche autonomen Nerven geschädigt, kann es zu Komplikationen kommen, die die Lebensqualität stark einschränken.
Wenn bei einer Polyneuropathie zum Beispiel Darmnerven geschädigt sind, ist die Funktion des Magen-Darm-Trakts beeinträchtigt, was zu Durchfall oder Verstopfung führen kann. Sind etwa Nerven in Mitleidenschaft gezogen, die die Blasenfunktion regulieren, ist das Wasserlassen, also die Blasenentleerung gestört.
Auch lebensbedrohliche Komplikationen können sich entwickeln. Bei fortgeschrittenen autonomen Nervenschädigungen im Bereich der Lunge kann ein Atemstillstand eintreten. Betrifft die autonome Polyneuropathie hingegen Nerven des Herzmuskels, können gefährliche Herzrhythmusstörungen daraus erwachsen.
Polyneuropathie-Symptome im Überblick
In der folgenden Tabelle finden Sie wichtige Polyneuropathie-Symptome auf einen Blick:
Sensible Symptome | Motorische Symptome | Autonome Symptome |
Kribbeln, Ameisenlaufen | Muskelzucken | Pupillenstörungen |
Stechen | Muskelkrämpfe | Wassereinlagerungen (Ödeme) |
Pelzigkeits- und Taubheitsgefühl | Muskelschwäche | Geschwüre |
Gefühl des Eingeschnürtseins | Muskelschwund | vermindertes Schwitzen |
Schwellungsgefühle | Herzrasen in Ruhe | |
Gefühl des unangenehmen Drucks | Magenlähmung (Gastroparese) | |
Gefühl, wie auf Watte zu gehen | Durchfall, Verstopfung | |
Gangunsicherheit (v.a. im Dunkeln) | gestörte Blasenentleerung | |
fehlendes Temperaturempfinden | Impotenz (Erektile Dysfunktion) | |
schmerzlose Wunden | Schwindel/Ohnmacht beim Aufstehen |
Diabetische Polyneuropathie: Symptome
Bei einer Polyneuropathie infolge der Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) entwickeln sich die Symptome schleichend. Als erstes werden meist die sensiblen Nervenfasern geschädigt. Die Betroffenen bemerken dann zum Beispiel ein Taubheitsgefühl oder Kribbeln in den Beinen. Viele spüren auch einen brennenden Schmerz in den Füßen ("Burning-Feet-Syndrom").
Da bei Diabetes oftmals die Durchblutung gestört ist, kann sich begleitend auch ein diabetisches Fußsyndrom entwickeln. Mehr dazu, lesen Sie hier.
Alkoholische Polyneuropathie: Symptome
Ebenfalls weit verbreitet ist die alkoholische Polyneuropathie. Sie schreitet in der Regel langsam voran. Die meisten Betroffenen haben Nervenstörungen an den Beinen, und zwar an beiden (symmetrische Polyneuropathie): Es treten etwa Schmerzen, Missempfindungen, Sensibilitätsstörungen, Muskelschwund und schwere Muskelerschlaffungen (Paresen) auf. Die Betroffenen können dann zum Beispiel nicht mehr richtig stehen.
In schweren Fällen entwickeln sich auch Polyneuropathie-Symptome im Augenbereich, beispielsweise Pupillenstörungen und Lähmungen der Augenmuskeln.
Welche Schweregrade der Polyneuropathie gibt es?
Ärzte unterscheiden folgende Schweregrade gemäß internationalen Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO):
Grad 1: Milde Symptomatik mit leichten Schmerzen. Meist ohne Therapiebedarf. Ggf. Verlust der tiefen Sehnenreflexe oder Missempfindungen (Parästhesien, einschließlich Kribbeln). Körperliche Funktionen sind nicht in ihrer Funktion beeinträchtigt. Ggf. Muskelschwäche nur bei speziellen Untersuchungen der Nervenleitfähigkeit feststellbar.
Grad 2: Moderate Symptomatik mit mäßigen Schmerzen. Gilt bereits als funktionsstörend. Ggf. nach individueller ärztlicher Abwägung im Einzelfall Schmerztherapie sinnvoll. Die Körperfunktionen sind zwar beeinflusst, aber Alltagsaktivitäten sind in der Regel möglich. Jedoch zunehmende symptomatische Muskelschwäche oft zu beobachten. Parästhesien (einschließlich Kribbeln) häufiger.
Grad 3: Schwere Symptomatik, die mit starken Schmerzen einhergeht. Schmerztherapie oft nötig. Muskelschwäche ist in diesem Stadium ausgeprägt. Mechanische Hilfen wie Gehstock, Rollator oder Rollstuhl oftmals nötig. Parästhesie deutlich ausgeprägt.
Grad 4: Lebensbedrohliche Symptomatik im Endstadium, die mit extremen Schmerzen, allgemeinen Lähmungserscheinungen und Verfall der geistigen Fähigkeiten einhergeht. Innere Organe sind in ihrer Funktion stark beeinträchtigt.
Ist Polyneuropathie heilbar?
Der Polyneuropathie-Verlauf lässt sich positiv beeinflussen, wenn man den Auslöser (falls möglich) beseitigt oder behandelt. Mit verschiedenen Therapien lassen sich zudem die Symptome lindern. Dennoch fragen sich viele Patienten: Ist Polyneuropathie heilbar?
Grundsätzlich gilt: Je früher die Nervenschädigung erkannt und behandelt wird, desto besser ist die Prognose ? in manchen Fällen lässt sich die Polyneuropathie auch stoppen. Leider verläuft die Polyneuropathie jedoch oft lange Zeit unbemerkt und symptomlos, sodass erste leichte Beschwerden nicht ernst genommen werden.
Zum Zeitpunkt der Diagnose ist die Erkrankung dann meist schon weit fortgeschritten. Oft bestehen schon nicht-umkehrbare (irreversible) Nervenschäden durch die Polyneuropathie. Heilung ist meist nicht mehr vollständig möglich. Mit der richtigen Behandlung kann man aber versuchen, weitere Nervenschäden zu verhindern und bestehende Symptome zu bessern.
Sensible oder motorische Polyneuropathien verkürzen die Lebenserwartung in der Regel nicht. Allerdings können die ihr zugrundeliegenden Erkrankungen, wie beispielsweise Diabetes, Krebs oder Alkoholismus Einfluss auf die Lebenserwartung nehmen.
Autonome Neuropathien in sehr weit fortgeschrittenen Stadien können die Lebenserwartung ebenfalls mindern, da hier lebenswichtige Organe in ihrer Funktion gestört sind.
Warum bekommt man eine Polyneuropathie?
Eine Polyneuropathie kann vielfältige Ursachen haben. Mediziner kennen mittlerweile mehr als 200 verschiedene Risikofaktoren, die die Entwicklung einer Polyneuropathie begünstigen.
Polyneuropathien entwickeln sich beispielsweise als Folge von (chronischen oder akuten) Krankheiten. Sie können allerdings auch als typische Nebenwirkungen einer Krebsbehandlung auftreten. Auch der wiederholte langfristige Kontakt mit ? oder der Konsum von ? Giftstoffen gilt als Risikofaktor für Polyneuropathien.
Am häufigsten wird die Nervenschädigung durch die Zuckerkrankheit (diabetische Polyneuropathie) oder durch Alkohol (alkoholische Polyneuropathie) ausgelöst ? doch auch weitere Ursachen sind bekannt.
Polyneuropathie bei Diabetes
Die diabetische Neuropathie ist die häufigste Polyneuropathie-Form. Sie kann sowohl bei Typ-1- als auch bei Typ-2-Diabetes auftreten. Ein dauerhaft erhöhter Blutzucker greift die Nervenzellen an und schädigt diese mit der Zeit unwiderruflich.
Andererseits vermuten Experten, dass ein dauerhaft hoher Blutzuckerspiegel die winzigen Blutgefäße im Körper (Mikroangiopathie) negativ beeinflusst. Das kann in einer verschlechterten Durchblutung münden, sodass betroffene Nerven nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden.
Darunter leidet zunächst ihre Funktion, nach einer gewissen Zeit können die unterversorgten Nerven sogar absterben. Meist setzt die diabetische Polyneuropathie schleichend ein.
Polyneuropathie durch Alkohol
Am zweithäufigsten ist Alkohol der Auslöser einer Polyneuropathie ? insbesondere der chronische Alkoholkonsum. Auch hier gilt: Die genauen Mechanismen, die zu den Nervenschäden führen, sind noch nicht restlos geklärt, allerdings ist bekannt, dass bestimmte Alkoholabbauprodukte (u.a. Ethanal) die Nerven direkt schädigen.
Erschwerend kommt möglicherweise noch ein zweiter Faktor hinzu: Alkoholismus ist oft mit Mangelernährung verbunden. Viele Alkoholiker ernähren sich mangelhaft und einseitig. So kann unter anderem ein Mangel an Vitamin B12 entstehen.
Dieses Vitamin ist aber sehr wichtig für die Funktion des Nervensystems. Ein Vitamin-B12-Mangel könnte also Nervenstörungen bei Alkoholikern zusätzlich begünstigen. Denn auch für sich allein genommen kann er eine Polyneuropathie auslösen.
Polyneuropathie als Folge einer Chemotherapie
Ein Sonderfall stellt die Polyneuropathie als typische Nebenwirkung bei der Krebsbehandlung dar. Sie wird auch Chemotherapie-induzierte Neuropathie (CIN) genannt.
Besonders betroffene sind jene Nerven für das Tast- und Temperaturempfinden wie auch für die Schmerzweiterleitung. Die Krebsmedikamente (Zytostatika) zerstören zwar insbesondere schnellwachsende Krebszellen ? doch auch Nervenenden, Nervenzellen oder deren isolierende Hülle nehmen im Verlauf der Behandlung nachhaltig Schaden.
Dadurch wird der Informationsaustausch zwischen Nervenzellen und Gewebe gestört. Dies führt zu Parästhesien, brennenden Schmerzen aber auch zu Muskelschwäche.
Folgende Wirkstoffgruppen können eine Polyneuropathie begünstigen:
- Platinabkömmlinge (bspw.: Cisplatin, Oxaliplatin, etc.)
- Vincaalkaloide (bspw.: Vinblastin, Vincristin, etc.)
- Taxane (bspw.: Cabazitaxel, Docetaxel, etc.)
- Tyrosinkinase-Hemmer (bspw.: Sunitinib, Sorafenib, etc.)
- Checkpoint-Inhibitoren (bspw. : Pembrolizumab, Nivolumab, etc.)
- Proteasom-Inhibitoren (bspw.: Bortezomib, Thalidomid, etc.)
Die Häufigkeit einer Chemotherapie-bedingten Polyneuropathie schwankt. Das Risiko hängt vom Alter der Patienten, der Zahl an benötigten Therapiezyklen, der erhaltenen Gesamtbehandlungsdosis sowie von den zugrundeliegenden Begleiterkrankungen ab.
Man schätzt, dass bei kurzen chemotherapeutischen Behandlungszeiten rund drei Prozent der Krebspatienten betroffen sind, bei mehrfachen Behandlungszyklen können bis zu 30 Prozent betroffen sein.
Von jenen Betroffenen, die eine solche Chemotherapie-bedingte Polyneuropathie entwickelt haben, leiden acht von zehn behandelten Krebspatienten auch zwei Jahre nach der Behandlung an Nerveneinschränkungen.
Wird die periphere Neuropathie als Folge einer Krebsbehandlung jedoch im Frühstadium erkannt und gezielt behandelt, bildet sie sich häufig auch wieder zurück.
Weitere Polyneuropathie-Ursachen
Zu den weiteren möglichen Ursachen einer Polyneuropathie zählen unter anderem:
- Mangel an Vitamin B12 (etwa bei Veganern oder nach einer Magenoperation)
- Nierenerkrankungen
- Lebererkrankungen
- Störungen der Schilddrüsenfunktion (Unter- und Überfunktion)
- Gicht
- Gifte (wie Arsen, Blei)
- Chemische Lösungsmittel (bspw.: Kohlenwasserstoffe wie Benzol oder Trichlorethen, Alkohole wie Methanol; daher ist die toxische Polyneuropathie bei bestimmten Berufsgruppen wie Lackierern oder Bodenlegern ? nach entsprechender Prüfung ? als Berufskrankheit anerkannt)
- bestimmte akute Infektionskrankheiten wie Lyme-Borreliose, Diphtherie, HIV etc.
- Guillain-Barré-Syndrom (eine Autoimmunerkrankung)
- Morbus Fabry (eine angeborene Stoffwechselstörung)
- Krebserkrankungen (Polyneuropathie kann hier das erste Anzeichen sein)
Auch Stress kann bei der Bildung einer Polyneuropathie eine gewisse Rolle spielen. Zwar verursacht ein dauerhaft hoher Stresspegel keine Nervenschädigungen selbst, jedoch kann dieser das Risiko für weitere stressbedingte Folgeerkrankungen erhöhen, die dann als Auslöser (Trigger) wirken.
Ein Beispiel dafür sind etwa ruhende Viren, die unter Stress erneut ausbrechen ? beispielsweise das Epstein-Barr-Virus (Auslöser des Pfeifferschen Drüsenfiebers), das Varizella-Zoster-Virus (Auslöser von Gürtelrose) oder auch Herpes-simplex (möglicher Auslöser für entzündlich-bedingte Nervenschmerzen).
Seltener sind Nervenschädigungen genetisch bedingt. So gibt es verschiedene angeborene Erkrankungen, die von einer Polyneuropathie begleitet werden. Dazu zählt etwa die HMSN (hereditäre motorisch-sensible Neuropathie), von der es mehrere Unterformen gibt.
Weitere angeborene oder vererbte Polyneuropathien sind beispielsweise das Charcot-Marie-Tooth-Syndrom, die Friedreich-Ataxie oder das Louis-Bar-Syndrom.
Bei rund 20 Prozent aller Patienten bleibt die Ursache der Polyneuropathie jedoch ungeklärt. Ärzte sprechen dann von einer idiopathischen Polyneuropathie.
Wenn Nervengifte wie Alkohol, Schwermetalle oder Medikamente die Nerven schädigen, handelt es sich um eine "toxische Polyneuropathie".
Polyneuropathie: Untersuchungen und Diagnose
Wenn Sie mögliche Polyneuropathie-Symptome an sich bemerken, sollten Sie umgehend einen Arzt aufsuchen. Werden die Nervenschäden frühzeitig erkannt und ihre Ursache behandelt, wirkt sich das positiv auf den Polyneuropathie-Verlauf aus.
Arzt-Patient-Gespräch
Der Arzt wird sich zuerst ausführlich mit Ihnen unterhalten, um Ihre Krankengeschichte zu erheben (Anamnese). Er lässt sich die Beschwerden genau schildern und fragt, wie lange sie schon bestehen. Außerdem erkundigt er sich nach eventuellen Vor- oder Grunderkrankungen (wie Diabetes, Nierenerkrankungen, Unterfunktion der Schilddrüse etc.).
Ihre behandelnde Ärztin oder Ihr behandelnder Arzt stellt Ihnen folgende oder ähnliche Fragen im Erstgespräch:
- Seit wann bestehen die Nervenschmerzen
- Seit wann bestehen die Empfindungsstörungen?
- Treten die Beschwerden gleichzeitig auf?
- Leiden Sie an Vorerkrankungen?
- Welche Medikamente haben Sie zuletzt zu sich genommen?
- Sind Sie mit giftigen Substanzen in Kontakt gekommen?
- Traten bei anderen Familienmitgliedern ähnliche Beschwerden auf?
- Haben sich das Kribbeln, die Missempfindungen oder Schmerzen in letzter Zeit verschlechtert?
Wichtig ist, dass Sie Ihrer behandelnden Ärztin oder Ihrem behandelnden Arzt in einem solchen Gespräch alle Medikamente, die sie einnehmen, nennen. Auch ob Sie möglicherweise mit Giftstoffen in Berührung gekommen sind ? beispielsweise am Arbeitsplatz.
Zur Abklärung einer Polyneuropathie sind zudem Angaben zu Drogen- und Alkoholkonsum wichtig. Auf entsprechende Fragen sollten Sie Ihren Ärzten daher offen und ehrlich antworten. Nur so können sie die richtige Ursache für die Nervenstörungen herausfinden.
Untersuchungen und Tests
Im Anschluss an das Gespräch wird Sie der Arzt körperlich untersuchen. Dabei testet er zum Beispiel Ihre Reflexe (wie den Achillessehnenreflex, der als erster schwächer wird). Er prüft auch, ob Ihre Pupillen richtig auf einfallendes Licht reagieren.
Auch auf mögliche Fehlbildungen des Skeletts (Deformitäten) achtet der Arzt. Beispielsweise können Krallenzehen und Hohlfuß ein Hinweis sein, dass die Polyneuropathie erblich bedingt ist.
Daneben folgen weitere Untersuchungen. Manche davon werden bei jedem Patienten durchgeführt, andere nur in bestimmten Fällen:
Bei der Elektroneurografie (ENG) wird die Nervenleitgeschwindigkeit gemessen. Der Arzt setzt dafür einen kleinen elektronischen Impuls an mindestens zwei verschiedenen Stellen eines Nervs. Dann misst er die Zeit bis zur Reaktion (Kontraktion) des dazugehörigen Muskels. Bei der Polyneuropathie ist diese Nervenleitgeschwindigkeit meist herabgesetzt.
Bei der Elektromyografie (EMG) wird die elektrische Muskelaktivität geprüft. Bei motorischen Störungen wie Muskelschwäche oder Muskellähmung lässt sich so herausfinden, ob das Problem beim Muskel selbst oder aber bei den ihn versorgenden Nerven liegt. Ergibt die EMG, dass die Nervenfunktion gestört ist, spricht das für eine Polyneuropathie.
Bei der quantitativen sensorischen Untersuchung prüft der Arzt, wie ein Nerv auf bestimmte Reize wie Druck oder Temperatur reagiert. So lässt sich feststellen, ob die Empfindlichkeit des Nervs beeinträchtigt ist - wie bei einer Polyneuropathie. Auf diese Weise lässt sich eine Nervenschädigung also gut nachweisen. Die Untersuchung ist allerdings sehr zeitaufwändig. Zudem muss sich der Patient dabei gut konzentrieren und mitarbeiten. Deshalb wird die Methode nicht routinemäßig zur Abklärung einer Polyneuropathie angewendet.
Eine Elektrokardiografie (EKG) kann Auskunft darüber geben, ob die autonomen Nervenfasern des Herzens geschädigt sind.
Mittels Ultraschall-Untersuchung der Harnblase kann der Arzt feststellen, ob sich nach dem Wasserlassen noch Restharn in der Blase befindet. Wenn ja, ist wahrscheinlich die Blasenentleerung gestört. Das passiert bei einer autonomen Polyneuropathie sehr oft.
Bei einer Nervenbiopsie wird über einen kleinen Hautschnitt eine winzige Probe des Nervengewebes entnommen. Die Gewebeprobe wird anschließend unter dem Mikroskop begutachtet. Diese Untersuchung wird aber nur in ganz bestimmten Fällen durchgeführt. Sie kann zum Beispiel bei Diabetikern notwendig sein, bei denen nur Nerven auf einer Körperseite geschädigt sind (asymmetrische diabetische Polyneuropathie). Auch wenn der Arzt Lepra als Ursache der Nervenschädigung vermutet, kann er eine Nervenbiopsie durchführen.
Ebenfalls nur in ausgewählten Fällen wird eine Hautbiopsie durchgeführt. Dabei wird ein winziges Stück Haut ausgestanzt (etwa am Unterschenkel) und genau untersucht.
Blutuntersuchungen dienen vor allem dazu, häufige und behandelbare Ursachen der Nervenschädigung zu erkennen. Polyneuropathie ist nicht direkt im Blut nachweisbar. Allerdings können (seltenere) Ursachen bei entsprechendem Verdacht anhand bestimmter Laborwerte aufgedeckt werden.
Einige Beispiele für solche Labortests bei Polyneuropathie sind:
- Erhöhte Entzündungswerte (wie CRP, weiße Blutkörperchen etc.) können auf eine entzündliche Ursache der Nervenschäden hindeuten.
- Ein oraler Glukosetoleranztest (oGTT) zeigt an, wie gut der Körper Zucker verarbeiten kann. Auffällige Testergebnisse können auf einen noch unentdeckten Diabetes (oder eine Vorstufe davon) hinweisen. Auch der Nüchternblutzucker ist hierbei sehr aussagekräftig.
- Bei bekannter Zuckerkrankheit ist vor allem der HbA1c-Wert ("Langzeitblutzucker") wichtig: Er zeigt an, wie gut der Diabetes in den letzten Monaten eingestellt war.
- Der Vitamin-B12-Status wird gemessen, um zu prüfen, ob eventuell ein Mangel besteht.
- Liegen die Leber- oder Nierenwerte außerhalb der Norm, wird die Polyneuropathie möglicherweise durch eine Leber- oder Nierenerkrankung verursacht. Dabei können Leberschäden auch durch Alkoholmissbrauch verursacht sein.
- Besteht der Verdacht, dass eine bestimmte Infektionskrankheit die Polyneuropathie verursacht, sind spezielle Blutuntersuchungen sinnvoll. Beispielsweise lässt sich eine vermutete Borreliose abklären, indem man im Blut des Patienten nach Antikörpern gegen die auslösenden Bakterien (Borrelien) fahndet.
Eine genetische Untersuchung ist angezeigt, wenn es in einer Familie mehrere Fälle von Polyneuropathie gibt. Dann liegt der Verdacht nahe, dass es sich um eine erblich bedingte Nervenschädigung handelt.
Das Gleiche gilt, wenn der Patient bestimmte Fehlstellungen des Fußes (Krallenzehen, Hohlfuß) oder andere Fehlbildungen des Skeletts (wie Skoliose) aufweist. Sie sind typisch für eine erblich bedingte Polyneuropathie. Der Arzt kann dann das Erbgut des Patienten auf entsprechende Veränderungen (Mutationen) untersuchen lassen.
Was hilft gegen Polyneuropathie?
Die Behandlung einer Polyneuropathie zählt zu den Kernkompetenzen von neurologischen Fachärztinnen und Fachärzten. Zu einer effektiven Polyneuropathie-Therapie gehört, die Ursache der Erkrankung ? wenn möglich ? zu beseitigen oder zu behandeln.
Das nennt man eine kausale oder ursächliche Therapie. Viele Polyneuropathie-Symptome lassen sich zudem gezielt behandeln. Diese symptomatische Therapie kann eine ursächliche Therapie ergänzen, wenn eine solche möglich ist.
Ursächliche Therapie
Einige Beispiele für die ursächliche (kausale) Behandlung von Polyneuropathie sind:
Alkoholiker sollten einen Entzug machen. Bei Diabetes-Patienten muss der Blutzucker richtig eingestellt werden. Wurde ein Vitamin-B12-Mangel festgestellt, sollte man sich ausgewogener ernähren und den Mangel durch ein Vitaminpräparat ausgleichen.
Sind Giftstoffe oder Medikamente der Auslöser der Polyneuropathie, müssen sie möglichst gemieden werden. Unterstützend hilft ein gesundes Maß an Bewegung: Radfahren oder auch Schwimmen ist gut geeignet bei Polyneuropathie, da es die persönliche Fitness verbessert.
Bei Patienten mit einer bestimmten Untergruppe von Polyneuropathien (chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie) wurden Antikörper entdeckt, die die Erregungsleitung entlang myelinisierter Fasern blockieren. Bei diesen Patienten und jenen mit einer immunvermittelten Neuropathie sprechen Standardtherapien schlecht an.
Dafür hat aber eine Behandlung mit Rituximab - einem künstlich hergestellten Antikörper, der in der Krebsimmuntherapie und bei Autoimmunerkrankungen eingesetzt wird ? gute Erfolgsaussichten.
Welche Medikamente helfen bei Polyneuopathie?
Bei vielen Polyneuropathie-Patienten verursachen die Nervenschäden brennende Schmerzen. Diese lassen sich mit einer symptomatischen Therapie lindern. Oft empfiehlt der Arzt Schmerzmittel wie ASS (Acetylsalicylsäure) oder Paracetamol. Dabei wird er für jeden Patienten eine individuell passende Dosierung für die Schmerztherapie auswählen.
Bei sehr schweren Nervenschmerzen kann er unter Umständen auch sogenannte Opioide verschreiben ? dies jedoch nur im Ausnahmefall. Das sind sehr stark wirksame Schmerzmittel, die aber zwei Nachteile haben: Zum einen kann ihre Wirkung mit der Zeit nachlassen ? um die Schmerzen zu lindern, sind dann immer höhere Dosierungen nötig.
Zum anderen können Opioide abhängig machen. Ihre Anwendung muss deshalb sorgfältig vom Arzt überwacht werden.
Bei sehr hartnäckigen Polyneuropathie-Schmerzen kann es sinnvoll sein, dass sich der Patient von einem Schmerztherapeuten behandeln lässt. Dieser ist spezialisiert auf die Therapie von chronischen Schmerzen.
Bei Nervenschmerzen können auch krampflösende Mittel helfen, beispielsweise Gabapentin oder Pregabalin. Sie sorgen dafür, dass die Nervenzellen weniger erregbar sind. Die Nervenschmerzen lassen dadurch nach.
Die Therapie mit Krampflösern wird "eingeschlichen", das heißt: Man startet mit einer niedrigen Dosis, die dann langsam bis zur gewünschten Wirkung gesteigert wird. Das beugt Nebenwirkungen vor. Zudem wird der Arzt während der Behandlung regelmäßig das Blut des Patienten untersuchen. Antiepileptika können nämlich bestimmte Blutwerte verändern.
Im Rahmen der Schmerztherapie kommen oft auch stimmungsaufhellende Mittel (Antidepressiva) wie Amitriptylin zum Einsatz. Sie hemmen die Weiterleitung von Schmerzsignalen im Rückenmark. Die Schmerzen werden dem Patienten dadurch zwar nicht genommen, aber sie werden erträglicher.
Wie bei den krampflösenden Mitteln wird auch bei Antidepressiva ein "Einschleichen" der Therapie empfohlen (anfangs niedrige Dosis, dann schrittweise Dosiserhöhung). Das senkt das Risiko für Nebenwirkungen wie Blutdruckabfall, Herzrhythmusstörungen oder Probleme beim Wasserlassen.
Manche Polyneuropathie-Patienten mit Nervenschmerzen profitieren von der sogenannten TENS (Transkutane elektrische Nervenstimulation), auch Reizstromtherapie genannt. Dabei wird auf die schmerzhafte Hautregion eine Elektrode gesetzt. Sie ist mit einem kleinen tragbaren Gerät verbunden.
Bei Bedarf kann der Patient auf Knopfdruck sanfte elektrische Impulse über die Elektrode in das Hautareal abgeben. Das kann die Schmerzen dämpfen. Wie das möglich ist, ist nicht geklärt. Es gibt aber verschiedene Hypothesen. Zum Beispiel vermuten manche Experten, dass die elektrischen Impulse körpereigene schmerzlindernde Botenstoffe (Endorphine) freisetzen könnten.
Die Wirksamkeit der TENS bei Nervenschmerzen ist bislang nicht wissenschaftlich erwiesen.
Physikalische Therapie
Vor allem bei sensiblen und motorischen Störungen einer Polyneuropathie können physikalische Therapien helfen. Dazu gehören zum Beispiel Physiotherapie, Wechselbäder, Elektrobehandlung gelähmter Muskeln sowie warme und kalte Wickel.
Diese Verfahren können unter anderem die Durchblutung steigern und geschwächte Muskeln stärken. Außerdem trägt die physikalische Therapie dazu bei, dass Polyneuropathie-Patienten trotz Schmerzen und anderen einschränkenden Beschwerden mobil bleiben.
Weitere Therapiemaßnahmen
Je nach Art und Ausmaß der Beschwerden kommen noch weitere Therapiemaßnahmen in Frage. Einige Beispiele: Bei häufigen Wadenkrämpfen können Polyneuropathie-Patienten versuchsweise ein Magnesium-Präparat einnehmen.
Haben Polyneuropathie-Patienten große Probleme beim Gehen, sind orthopädische Hilfsmittel sinnvoll. Wenn zum Beispiel der sogenannte Peroneus-Nerv im Bein geschädigt ist, können Betroffene den Fuß kaum oder gar nicht mehr anheben. Dann hilft eine spezielle Schiene oder ein spezieller Schuh/Stiefel.
Werden Patienten aufgrund der Polyneuropathie von Völlegefühlen, Übelkeit und/oder Erbrechen geplagt, ist eine Umstellung der Essgewohnheiten ratsam: Besser als wenige große Mahlzeiten sind dann mehrere kleine Speisen, die über den Tag verteilt verzehrt werden.
Zusätzlich lassen sich Übelkeit und Erbrechen mit rezeptpflichtigen Medikamenten (Metoclopramid oder Domperidon) lindern.
Bei Verstopfung sollten Patienten viel trinken, sich ballaststoffreich ernähren und regelmäßig bewegen. Gegen akuten Durchfall bei Polyneuropathie kann der Arzt ein Medikament (wie Loperamid) verschreiben.
Autonome Störungen bei Polyneuropathien sind zum Beispiel Kreislaufprobleme beim Aufstehen aus dem Liegen oder Sitzen (orthostatische Hypotonie): Den Betroffenen wird durch einen plötzlichen Blutdruckabfall schwindelig oder sie fallen sogar in Ohnmacht. Zur Vorbeugung sollten Patienten immer nur langsam aufstehen.
Zudem können Stützstrümpfe helfen: Sie verhindern, dass das Blut beim Aufstehen in die Beine absackt und so die Kreislaufprobleme auslöst. Ein regelmäßiges Muskeltraining ist ebenfalls sinnvoll. Bei Bedarf kann der Arzt zudem Medikamente gegen zu niedrigen Blutdruck verschreiben.
Wenn Polyneuropathien eine Blasenschwäche verursachen, sollten Patienten regelmäßig zur Toilette gehen (zum Beispiel alle drei Stunden) ? auch wenn gerade kein Harndrang besteht. Dann kann sich nicht zu viel Restharn in der Blase sammeln. Das begünstigt nämlich eine Blaseninfektion.
Eine Impotenz (Erektile Dysfunktion) kann sowohl durch die Polyneuropathie selbst als auch durch Medikamente wie Antidepressiva entstehen. Im zweiten Fall sollten Patienten mit dem Arzt besprechen, ob die Medikamente eventuell abgesetzt oder durch andere ersetzt werden können.
Wenn das nicht möglich ist oder die Impotenz auch danach noch besteht, können betroffene Männer sich mit einer Vakuumpumpe behelfen. Eventuell kann der Arzt auch ein Potenzmittel (Sildenafil etc.) verschreiben.
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S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie: „Diagnostik bei Polyneuropathien“ (Stand: 2019)
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Patienten-Broschüre der Leukämiehilfe Rhein-Main e.V. zum Thema „Polyneuropathie (PNP) Ursachen & Behandlung, unter: www.myelom.net (Abgerufen am 19.05.2022)
Übersichtsarbeit des Deutschen Ärzteblatts zum Thema „Polyneuropathien – Ursachen, Diagnostik und Therapieoptionen“ – DOI: 10.3238/arztebl.2018.0083, unter: www.aerzteblatt.de (Abgerufen am 19.05.2022)
Heinzerling et al. (2019) Checkpoint inhibitors—the diagnosis and treatment of side effects. Arztebl. Int. Vol. 116:119–26; DOI: 10.3238/arztebl.2019.01
Schnurbus, A. Schnurbus-Duhs – Endspurt Klinik: Neurologie (Skript 13, 3. Auflage, 2020), Georg Thieme Verlag
Dischli, C. Machleidt – Endspurt Klinik: Innere und Chirurgie (Skript 4, 3. Auflage, 2020), Georg Thieme Verlag