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  • 21. Februar 2024 ― Lesezeit: 5 Minuten
    Dr. med.Fabian Dupont, 
    Martina Feichter, Medizinredakteurin und Biologin

    Neuroborreliose

    Die Neuroborreliose ist eine Verlaufsform der Lyme-Borreliose. Sie entwickelt sich, wenn sich die Borrelien-Bakterien im Körper ausbreiten und dabei das Hirn oder die Nervenbahnen befallen. Die daraus resultierenden Symptome sind vielfältig. Lesen Sie hier mehr über Symptome, Spätfolgen und Behandlung der Neuroborreliose.

    Kurzübersicht
    • Beschreibung: Neuroborreliose betrifft als Form der Borreliose das Nervensystem.
    • Symptome: Die Symptome der Neuroborreliose reichen von Kopfschmerzen und Schwindel bis hin zu Lähmungen im Gesicht und Epilepsie.
    • Spätfolgen: Die Spätfolgen der Neuroborreliose sind vor allem Müdigkeit, Antriebslosigkeit und Konzentrationsstörungen.
    • Behandlung: Neuroborreliose ist mit der richtigen Behandlung heilbar. Antibiotika wie Doxycyclin, Ceftriaxon, Cefutoxim und Penicilin G bilden den wichtigsten Pfeiler der Therapie.
    • Diagnose: Um die Neuroborreliose zu identifizieren, greifen Mediziner zur Laboruntersuchung von Blut und Liquor und bildgebenden Verfahren wie der MRT.

    Neuroborreliose: Beschreibung

    Die Neuroborreliose ist eine seltene Form der Lyme-Borreliose. Sie tritt bei etwa drei von 100 Erkrankten auf. Eine Neuroborreliose entwickelt sich, wenn Borrelien - die bakteriellen Erreger der Borreliose - das Nervensystem befallen.

    Borrelien gelangen über den Stich einer Zecke in den Körper. Eine Ansteckung oder Übertragung von Mensch zu Mensch ist nicht möglich. Neuroborreliose tritt gehäuft im Juli und August auf.

    Neuroborreliose: Symptome

    Mediziner unterscheiden eine frühe und eine späte (chronische) Neuroborreliose. Bei früher Neuroborreliose dauern die Symptome Wochen bis Monate an, bei später Neuroborreliose dagegen Monate bis Jahre.

    Frühe Neuroborreliose: Symptome

    Bei vermutlich mehr als 98 Prozent aller Neuroborreliose-Patienten liegt eine frühe Neuroborreliose vor. Die ersten Symptome treten innerhalb von wenigen Wochen bis einigen Monaten nach der Infektion mit dem Borreliose-Erreger (über einen Zeckenstich) auf.

    Typischerweise entwickelt sich eine schmerzhafte, nicht-eitrige Entzündung der Hirnhäute und der Nervenwurzeln des Rückenmarks. Mediziner sprechen hier von einer Meningopolyradikulitis. Sie äußert sich mit quälenden Nervenschmerzen. Betroffene beschreiben die Schmerzen als brennend, bohrend, beißend oder reißend. Sie leiden vor allem nachts darunter.

    Zusätzlich können Missempfindungen und schlaffe Lähmungen auftreten. Beispielsweise ist die frühe Neuroborreliose oft verbunden mit einer ein- oder beidseitigen Gesichtslähmung (Fazialisparese). Sie beruht auf einer Entzündung des 7. Hirnnervs (Gesichts- oder Fazialisnerv).

    Seltener sind bei einer Neuroborreliose andere Hirnnerven entzündet. Zu den möglichen Folgen zählen unter anderem Lähmungen der Augenmuskeln, Hörminderung und Schwindel.

    Bei Kindern mit früher Neuroborreliose beobachtet man oft nur eine isolierte Gesichtslähmung oder eine akute Hirnhautentzündung (Meningitis). Letztere kann mit Symptomen wie Kopfschmerzen, Nackensteife, Lichtscheu, Übelkeit, Erbrechen und emotionaler Labilität einhergehen.

    Späte Neuroborreliose: Symptome

    Die späte (chronische) Neuroborreliose ist selten. Bei den Betroffenen entwickeln sich die neurologischen Beschwerden schleichend über Monate bis Jahre. Typischerweise kommt es zu einer chronisch fortschreitenden Entzündung des Gehirns und Rückenmarks (Enzephalomyelitis).

    Die Betroffenen haben meist keine Schmerzen, leiden aber unter Gangstörungen und Problemen bei der Blasenentleerung. Außerdem kann die späte Neuroborreliose Symptome wie Sprach- und Sprechbeschwerden, Hörminderung, Koordinationsschwierigkeiten, Sensibilitätsstörungen und Lähmungserscheinungen hervorrufen.

    Selten entwickelt sich bei später Neuroborreliose eine Epilepsie oder ein organisches Psychosyndrom (mit Konzentrations- und Bewusstseinsstörungen sowie Halluzinationen). Ebenfalls selten entzünden sich Blutgefäße im Gehirn (zerebrale Vaskulitis), was einen Schlaganfall zur Folge haben kann. Sehr selten tritt eine isolierte Hirnhautentzündung (Meningitis) auf.

    Neuroborreliose: Spätfolgen

    Eine Neuroborreliose ist gut behandelbar und heilt in den meisten Fällen vollständig aus. Spätfolgen treten nur selten auf.

    Post-Lyme-Disease-Syndrom

    Bestehen nach einer behandelten Neuroborreliose auch Monate und Jahre Beschwerden, sprechen Ärzte von einem "Post-Lyme-Disease-Syndrome" oder "Post Treatment Lyme Disease Syndrome" (PTLDS), manchmal auch "(Post-)Lyme-Enzephalopathie" oder unspezifisch "Chronische Lyme-Borreliose".

    Dabei werden unspezifische chronische Beschwerden wie anhaltende Müdigkeit, Antriebslosigkeit und Konzentrationsschwäche in Verbindung mit einer früheren Borreliose-Infektion gebracht ? ohne dass sich ein entzündlich-infektiöser Prozess labordiagnostisch nachweisen lässt.

    Deshalb sollte man hier zuerst an andere Krankheitsbilder denken wie zum Beispiel an eine andere chronische Infektion, eine Autoimmunerkrankung oder eine Depression.

    Eine Antibiotika-Therapie ist bei einem Post-Borreliose-Syndrom nicht sinnvoll.

    Neuroborreliose: Behandlung

    Eine Neuroborreliose wird (wie die normale Borreliose) mit Antibiotika behandelt.

    Zur Verfügung stehen folgende Antibiotika:

    • Doxycyclin (als Tablette)
    • Ceftriaxon (als Infusion)
    • Cefotaxim (als Infusion)
    • Penicillin G (als Infusion)

    Welches Antibiotikum der Arzt im Einzelfall für die Neuroborreliose-Therapie auswählt, hängt von den individuellen Gegebenheiten ab. Eine Rolle spielt unter anderem, wie alt der Patient ist, ob er bekanntermaßen allergisch auf eines der Antibiotika reagiert oder ob eine Schwangerschaft vorliegt. So dürfen beispielsweise schwangere Frauen und Kinder unter neun Jahren nicht mit Doxycyclin behandelt werden.

    Dauer der Antibiotikatherapie

    Die Dauer der Antibiotikatherapie richtet sich danach, ob eine frühe oder späte Neuroborreliose vorliegt: Bei früher Neuroborreliose werden die Antibiotika im Regelfall über 14 Tage gegeben, bei später Neuroborreliose meist 14 bis 21 Tage lang.

    Bei Patienten, die sechs Monate nach der Antibiotika-Therapie immer noch beeinträchtigende Beschwerden haben, untersuchen Ärzte erneut eine Probe der Hirn-Rückenmarksflüssigkeit. Wenn die Anzahl der weißen Blutkörperchen immer noch erhöht ist und es keine andere Erklärung als die Neuroborreliose dafür gibt, wiederholen sie die Antibiotikatherapie.

    Ist Neuroborreliose heilbar?

    Die Neuroborreliose ist heilbar. Nur wenige Patienten berichten noch Jahre nach der Therapie von bestehenden Symptomen. Diese sind jedoch nur mild und beeinträchtigen in der Regel den Alltag nicht. Laut einer dänischen Studie hat eine ausgeheilte Neuroborreliose keine nachteiligen Auswirkungen auf die Lebenserwartung.

    Neuroborreliose: Diagnose

    Wenn ein Patient einige der oben genannten Symptome aufweist und von einem zurückliegenden Zeckenstich berichtet, ergibt sich für den Arzt der Verdacht auf eine Neuroborreliose. Das gilt auch, wenn sich ein Patient an keinen Zeckenstich erinnert, aber die Möglichkeit zu einem solchen bestand oder besteht (durch Waldspaziergänge, Gartenarbeit etc.).

    Weitere Untersuchungen zum Nachweis einer Borreliose finden Sie in unserem Beitrag Borreliose-Test.

    Labortests

    Zur Abklärung des Verdachts kann der Arzt verschiedene Labortests durchführen.

    Nachweis von Borrelien-Antikörpern

    Dieser Test kann das Blut und die Gehirn-/Rückenmarksflüssigkeit (Nervenwasser oder Liquor) des Patienten auf spezifische Antikörper gegen Borrelien-Bakterien untersuchen.

    Die Ergebnisse solcher Tests lassen sich aber nicht immer eindeutig interpretieren. Das liegt unter anderem daran, dass sich auch dann noch Borrelien-Antikörper nachweisen lassen, wenn die Infektion schon lange zurückliegt und längst ausgeheilt ist.

    Nachweis entzündlicher Liquor-Veränderungen

    Finden sich in der Nervenwasser-Probe (Liquor-Probe) tatsächlich Borrelien-Antikörper, reicht das aber noch nicht für eine sichere Diagnose. Es müssen sich auch entzündliche Veränderungen im Nervenwasser nachweisen lassen. Dazu zählen etwa eine erhöhte Anzahl an weißen Blutkörperchen sowie eine Erhöhung des Gesamteiweißes.

    Direkter Erreger-Nachweis

    Zur Unterstützung der Neuroborreliose-Diagnose kann man den Erreger auch direkt im Nervenwasser nachweisen (in speziell dafür geschulten Laboratorien). Dazu nimmt man eine Liquor-Probe des Patienten und versucht, damit Borrelien-Bakterien anzuzüchten (Kultur) oder Erbgut-Schnipsel der Erreger nachzuweisen (mittels Polymerase-Kettenreaktion = PCR).

    Das gelingt aber nur in relativ wenigen Fällen. Außerdem ist eine Borrelien-Kultur sehr zeitaufwendig. Hinzu kommt, dass nur spezielle Labore diese Tests zuverlässig durchführen können.

    Deshalb ist der Direktnachweis von Borreliose-Erregern bei Verdacht auf Neuroborreliose meist nur in Ausnahmefällen empfohlen. Er kann etwa hilfreich sein, wenn ein Patient aufgrund eines Immundefekts kaum Antikörper produzieren kann, sodass Antikörper-Tests wenig aussagekräftig sind.

    CXCL13-Messung

    Seit einigen Jahren unterstützt man in Einzelfällen die Neuroborreliose-Diagnose mit der Messung des CXCL13-Spiegels im Nervenwasser. Das CXCL13 zählt zu den sogenannten Chemokinen. Das sind kleine Eiweiße, die als Reaktion auf eine Infektion oder Verletzung ausgeschüttet werden und an der Steuerung einzelner Abwehrzellen des Immunsystems beteiligt sind.

    Bei fast allen Patienten mit akuter Neuroborreliose steigt der CXCL13-Spiegel im Nervenwasser deutlich an ? noch bevor der Körper spezifische Antikörper gegen den Borreliose-Erreger gebildet hat. Und er fällt in der Regel mit Beginn einer antibiotischen Behandlung.

    Allerdings erhöht sich der CXCL13-Spiegel auch bei anderen Erkrankungen. Zudem gibt es noch kein standardisiertes Verfahren für die Bestimmung dieses Proteins im Liquor.

    Deshalb ist die CXCL13-Messung im Nervenwasser nur empfohlen, wenn jemand Symptome einer frühen Neuroborreliose zeigt, aber die Anzahl der weißen Blutkörperchen (noch) unauffällig ist und/oder sich (noch) keine Borrelien-Antikörper nachweisen lassen.

    Weitere Untersuchungen

    Routinemäßig werden bei Verdacht auf Neuroborreliose auch gängige Blutparameter bestimmt. Dazu zählen unter anderem die Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG), die weißen Blutkörperchen (Leukozyten) und das C-reaktive Protein (CRP). Diese Werte sind bei einer Neuroborreliose normal oder leicht erhöht und können allgemein auf eine den ganzen Körper betreffende (systemische) Infektion hindeuten. Die Bestimmung solcher Blutparameter dient vor allem dazu, andere Ursachen für die möglichen Neuroborreliose-Anzeichen auszuschließen.

    In bestimmten Fällen führt der Arzt noch weitere Untersuchungen durch. Hat er etwa den Verdacht, dass die Borrelien eine Entzündung von Hirngefäßen (zerebrale Vaskulitis) verursacht haben, veranlasst er zur Abklärung eine Magnetresonanztomografie (MRT, Kernspintomografie). In den MRT-Bildern sind mitunter Hinweise auf eine Neuroborreliose sichtbar. Das ist beispielsweise eine Hirnhautentzündung, Hirnentzündung, Hirnnervenentzündung oder Entzündungen der Gefäße.

    Keine dieser Methoden reicht alleine als Beweis für eine Neuroborreliose. Die Kombination mehrerer Faktoren sichert die Diagnose. Vor allem im Zusammenhang mit einer entsprechenden Anamnese stellen Ärzte die Diagnose der Neuroborreliose. Das nimmt in der Regel aber mehrere Untersuchungen in Anspruch.


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    Forster, J.: DGPI Handbuch Infektionen bei Kindern und Jugendlichen, Thieme Verlag, 7. Auflage, 2018
    Gesenhues, S. et al.: Praxisleitfaden Allgemeinmedizin, Urban & Fischer Verlag, 2020
    Grehl, H. et al.: Checkliste Neurologie, Thieme Verlag, 7. Auflage, 2021
    Mattle, H. et al.: Kurzlehrbuch Neurologie, Thieme Verlag, 5. Auflage, 2021
    Pschyrembel Online, Klinisches Wörterbuch: www.pschyrembel.de (Abrufdatum: 20.01.2024)
    Robert Koch-Institut (RKI): RKI-Ratgeber Lyme-Borreliose (Stand: 2019), unter: www.rki.de (Abrufdatum: 20.01.2024)
    Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie: Neuroborreliose, Stand: 2018 (derzeit in Überarbeitung), unter: www.register.awmf.org (Abrufdatum: 20.01.2024)
    Obel, N. et al.: Long term survival, health, social functioning, and education in patients with European Lyme neuroborreliosis: nationwide population based cohort study. BMJ 2018 May, doi: 10.1136/bmj.k1998

     

    13. Februar 2024 ― Lesezeit: 61 Minuten
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