Zum Inhalt
  • 14. März 2024 ― Lesezeit: 5 Minuten
    Martina Feichter, Medizinredakteurin und Biologin
    Julia Kerkhoff, Studentin der Humanmedizin

    Multiple Sklerose - Symptome

    Multiple Sklerose wird auch als „Krankheit mit den 1.000 Gesichtern“ bezeichnet: Die Symptome sind individuell verschieden, unterscheiden sich aber nicht wesentlich bei Frauen und Männern. Die ersten Multiple-Sklerose-Symptome sind meist Sehstörungen und motorische Störungen. Ärzte deuten diese Symptome oft erst im Nachhinein als Anzeichen von MS. Lesen Sie hier mehr über Frühsymptome, typische, seltene und psychische Symptome der Multiplen Sklerose.

    Kurzbeschreibung
    • Frühsymptome: Anzeichen einer MS sind zu Beginn vor allem Seh- und motorische Störungen. Es gibt aber keinen regelhaften Verlauf, auch Frühsymptome sind individuell.
    • Typische Symptome: Muskelschmerzen, Sehstörungen, Gefühlsstörungen, Müdigkeit (Fatigue) und Zittern der Hände
    • Seltene Symptome: Demenz, Inkontinenz, Haarausfall und Wesensveränderungen
    • Psychische Symptome: Depressionen, Angststörungen und kognitive Einschränkungen
    • Woran erkennt man einen MS-Schub: Ein MS-Schub dauert mindestens 24 Stunden, hat mindestens 30 Tage Abstand zum nächsten Schub und die Symptome werden nicht durch andere Erkrankungen verursacht.

    Multiple Sklerose: Frühsymptome

    Bei den meisten Betroffenen zeigt sich nur ein einzelnes Symptom am Anfang, bei anderen sind von Beginn an mehrere MS-Symptome vorhanden. Deshalb wird Multiple Sklerose auch als ?Krankheit mit den 1.000 Gesichtern? bezeichnet, weil das Beschwerdebild individuell unterschiedlich ausfällt ? je nachdem, welche Nervenstrukturen von der Schädigung betroffen sind.

    Das mittlere Erkrankungsalter liegt zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. In seltenen Fällen bricht MS bei Kindern und Jugendlichen sowie bei Erwachsenen höheren Alters aus.

    Häufige Frühsymptome der MS sind vor allem Kopfschmerzen, Sehstörungen sowie Gefühlsstörungen der Haut.

    • Die Sehstörungen werden durch eine Entzündung des Sehnervs (Optikusneuritis) verursacht. Die Erkrankten sehen verschwommen, als würde ein nebeliger Schleier über allem liegen.
    • Zu den Frühsymptomen gehören auch motorische Symptome und krampfartige Lähmungen. Betroffene fühlen sich beim Gehen unsicher. Auch Krämpfe in den Händen gehören zu den ersten Anzeichen.
    • Bei den Gefühlsstörungen werden einzelne Hautareale als kribbelnd oder taub empfunden. Sie treten an Armen oder Beinen (Extremitäten) auf.
    • Zu Beginn der MS sind die Symptome einseitig. Die Sehstörung betrifft am Anfang nur ein Auge. Auch die Motorik und Sensibilität der Extremitäten sind nur auf einer Seite zu finden.
    • Erste Multiple-Sklerose-Anzeichen sind außerdem Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und eine Art ?Unausgeschlafenheit?. Diese Symptome kennzeichnen die sogenannte Fatigue.

    Weitere Informationen über die verschiedenen Phasen von MS finden Sie im Beitrag Verlauf der Multiplen Sklerose.

    Der Verlauf von MS ist unterschiedlich. Nicht alle Betroffenen zeigen die gleichen Frühsymptome. Zudem tritt der erste Schub, also die ersten Symptome bei Multipler Sklerose, meistens vor der Diagnose auf.

    Multiple Sklerose: Typische Symptome

    Die typischen Symptome der Multiplen Sklerose sind vielfältig und individuell verschieden. Manche Betroffene haben eher mit Sehstörungen zu kämpfen, bei anderen ist die motorische Komponente stärker beeinträchtigt.

    Einen Überblick über die wichtigsten MS-Symptome finden Sie im Folgenden:

    • Sehstörungen wie verschwommenes Sehen, Sehverlust, Schmerzen bei Augenbewegungen infolge einer Entzündung des Sehnervs (Optikusneuritis), Doppelbilder infolge gestörter Koordination der Augenmuskeln
    • Gefühlsstörungen der Haut (Sensibilitätsstörungen) wie Kribbeln, (schmerzhafte) Missempfindungen (z.B. ?Ameisenlaufen?) oder Taubheitsgefühle. Diese Störungen sind meist vorübergehend, manchmal aber auch dauerhaft.
    • Krampfartige, schmerzhafte Lähmungen (Spastiken), vor allem an den Beinen
    • Muskelschwund, der nicht durch die MS entsteht, sondern eine Folge der eingeschränkten Beweglichkeit ist, die von Multiple Sklerose ausgelöst wird
    • Störung der Koordination von Bewegungen (Ataxien), Unsicherheit beim Greifen oder Gangstörungen
    • Fatigue (erhebliche anhaltende Schwäche und schnelle Erschöpfbarkeit)
    • Störungen der Blasen- und/oder Darm-Entleerung (z. B. Harninkontinenz, Harnverhalt, Verstopfung)
    • Sprachstörungen, ?verwaschene? Sprache
    • Schluckstörungen
    • Unwillkürliches, rhythmisches Zittern (Tremor) von Körperteilen bei zielgerichteten, bewussten Bewegungen (Intentionstremor), z.B. Zittern der Hände beim Greifen nach einem Glas
    • Unwillkürliches, rhythmisches Augenzittern (Nystagmus)
    • Kognitive Störungen wie verminderte Aufmerksamkeit, Konzentrationsprobleme, beeinträchtigtes Kurzzeitgedächtnis
    • Sexuelle Funktionsstörungen wie Ejakulationsprobleme und Impotenz bei Männern, Orgasmusprobleme bei Frauen, nachlassende sexuelle Lust (Libidoverlust) bei allen Geschlechtern
    • Schmerzen, z.B. Kopfschmerzen, Nervenschmerzen (etwa in Form von Trigeminusneuralgie), Rückenschmerzen, Muskelschmerzen (Schmerzen in den Oberschenkeln und Schmerzen in den Füßen gehören beispielsweise dazu)
    • Schwindel

    Ein zuckendes Augenlid wird oft falsch interpretiert als Zeichen für eine MS. Muskelzuckungen des Augenlids gehören nicht zu den Symptomen der Multiplen Sklerose.

    Wie genau ein Leben mit Multipler Sklerose aussieht, worauf zu achten ist und was Sie tun können, um Ihren Alltag zu erleichtern, lesen Sie im zugehörigen Artikel.

    Die MS-Symptome von Frauen und Männern unterscheiden sich nicht wesentlich voneinander. Einzelne Formen der MS kommen bei Frauen häufiger vor als bei Männern. Von der schubförmig remittierenden MS (RRMS) sind Frauen zwei- bis dreimal häufiger betroffen als Männer.

    Weitere Informationen zum speziellen Verlauf der RRMS lesen Sie in unserem gesonderten Beitrag.

    MS verursacht keine Immunschwäche. Als Autoimmunerkrankung greift der Körper körpereigene Zellen an ? das Immunsystem reagiert also fehlerhaft. Das führt zu Entzündungen, die wiederum das Immunsystem kurzzeitig anfälliger für Infektionen machen.

    Einige Studien konnten zeigen, dass Menschen mit MS möglicherweise ein erhöhtes Risiko für bestimmte Infektionen haben. Allerdings muss man bedenken, dass bestimmte Medikamente, die bei Multipler Sklerose zur Behandlung eingesetzt werden, eine Immunschwäche hervorrufen.

    In vielen Fällen verschlimmert starke Hitze (zum Beispiel bei sehr heißem Wetter, Fieber oder bei einem heißen Bad) die MS-Symptome vorübergehend. Mediziner bezeichnen dies als Uhthoff-Phänomen.

    Weiterführende Informationen zu Diagnose, Ursachen und Behandlung von MS finden Sie in unserem umfangreichen Artikel zu Multipler Sklerose.

    Multiple Sklerose: Seltene Symptome

    Vor allem im Spätstadium kommt es zu MS-Symptomen, die nur selten anzutreffen sind.

    • Manchmal kommt es zu einer Demenz, die auf die Erkrankung zurückzuführen ist.
    • Von einer Stuhlinkontinenz sind nur wenige MS-Erkrankte betroffen. Stattdessen treten Funktionsstörungen auf, die keine vollständige Inkontinenz bedeuten. So kommt es zum Beispiel eher zu Verstopfung.
    • Manche Erkrankte leiden unter einer Dranginkontinenz. Auch das ist keine vollständige Inkontinenz, weil der Urin kurzfristig zurückgehalten werden kann. Sobald die Patienten den Harndrang bemerken, müssen sie jedoch sofort zur Toilette gehen.
    • Atem- und Schluckbeschwerden sind ebenfalls selten und treten meist erst bei fortgeschrittener Erkrankung auf.
    • Mitunter kommt es auch zu Haarausfall. Die Beeinträchtigung der Nerven bei MS verändert das Haarwachstum allerdings nicht. Haarausfall ist eher eine Folge von Stress oder eine Nebenwirkung der MS-Medikamente.
    • Ähnlich verhält es sich mit Persönlichkeits- und Wesensveränderungen. Sie sind selten und treten erst im späteren Krankheitsverlauf auf.

    Multiple Sklerose: Psychische Symptome

    Zu den psychischen Symptomen gehören Depressionen, Angststörungen, Müdigkeit, Erschöpfung, Schlafstörungen, kognitive Beeinträchtigungen und Wesensveränderung durch MS.

    • Depression: Menschen mit MS leiden häufig unter Depressionen. Die Belastung durch die Krankheit selbst, der Verlust einzelner Körperfunktionen, die sozialen Auswirkungen oder neurologische Veränderungen im Gehirn können sie verursachen.
    • Angststörungen: Angststörungen wie die generalisierte Angststörung, Panikstörungen oder soziale Ängste können bei MS auftreten. Die Unsicherheit über den Verlauf der Krankheit, die Sorge um körperliche Beeinträchtigungen und die Auswirkung der Erkrankung auf das alltägliche Leben können Ängste verstärken.
    • Müdigkeit: Müdigkeit und Schlafstörungen sind ein Teil der Depressionssymptomatik, sie treten aber auch ohne Depressionen auf.
    • Kognitive Beeinträchtigungen: Zu den MS-bedingten kognitiven Einschränkungen gehören zum Beispiel Gedächtnis- und Konzentrationsschwierigkeiten, Problemlösungsdefizite und verlangsamtes Denken. Manche Patienten empfinden dies als emotionale Belastung.
    • Wesensveränderung: Die Wesensveränderungen im Rahmen einer Multiple-Sklerose-Erkrankung umfassen emotionale Labilität und Stimmungsschwankungen. Das Denkmuster und die Denkgeschwindigkeit verändern sich. Eine tatsächliche Wesensveränderung tritt allerdings selten auf.

    Stellen Sie Symptome wie Traurigkeit oder Hoffnungslosigkeit an sich fest, ist eine Psychotherapie ratsam. Psychische Probleme können auch von Medikamenten ausgelöst werden. In diesem Fall sollte eine Umstellung auf eine andere medikamentöse Therapie in Betracht gezogen werden.

    Woran erkennt man einen MS-Schub?

    Die MS-Symptome treten bei den meisten Menschen in Schüben auf. Ein MS-Schub ist definiert als das Auftreten neuer oder als die Reaktivierung bereits früher aufgetretener neurologischer Funktionsstörungen, von denen Betroffene berichten oder die durch eine medizinische Untersuchung festgestellt werden.

    Die Störungen müssen für eine Schub-Definition folgende Kriterien erfüllen:

    • Sie halten mindestens 24 Stunden an.
    • Sie sind mindestens 30 Tage nach Beginn des letzten Schubes aufgetreten.
    • Die Symptome wurden nicht durch eine Veränderung der Körper-Temperatur (Uhthoff-Phänomen), eine Infektion oder andere physische oder organische Ursachen hervorgerufen.

    Informationen zu den einzelnen Schüben bei MS finden Sie im Artikel Verlauf der Multiplen Sklerose.


    © Copyright © 1998-2024 NetDoktor - All rights reserved - NetDoktor is a trademark.

    Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft: www.dmsg.de (Abruf: 02.12.2013)
    Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft: www.multiplesklerose.ch (Abruf: 02.12.2013)
    Krämer, G. et al.: Multiple Sklerose - Antworten auf die 111 wichtigsten Fragen, TRIAS Verlag, 6. Auflage 2006
    Dt. Ges. f. Neurologie (DGN), Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS): DGN/KKNMS Leitlinie zur Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose (Stand: August 2012)
    Friedrich, D.: Multiple Sklerose und Sport – Immer in Bewegung, Thieme Verlag, 2011
    Kip, M. et al.: Weißbuch Multiple Sklerose, Springer Verlag, 2016
    Leyhe, T. et al.: Demenz als Erstsymptom bei spät beginnender Multipler Sklerose, in: Der Nervenarzt, 6/2005
    Vieten, M.: Krankheit verstehen 1: Anatomie, Krankheitslehre und Pflege verknüpfen (Fallbuch Pflege), Thieme Verlag, 2006
    Widder, B. et al.: Referenz-Reihe Neurologie: Methoden, in: Neurowissenschaftliche Begutachtung 2018; doi: 10.1055/b-0038-159798
    S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie: Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose, Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen und MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen, Stand: November 2022, unter: www.awmf.org (Abrufdatum: 08.03.2024)

     

    13. März 2024 ― Lesezeit: 39 Minuten
    Multiple Sklerose (MS)

    Multiple Sklerose (MS, Encephalomyelitis disseminata) ist eine chronische Entzündung des Nervensystems. Es werden dabei Nervenstrukturen zerstört, was unterschiedliche Symptome nach sich zieht. Die Erkrankung verläuft oft in Schüben und ist nicht heilbar. Ihr Fortschreiten lässt sich aber meist mit Medikamenten bremsen. Lesen Sie mehr über die Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose, über die Ursachen und Diagnosemöglichkeiten.

    Mehr