Tanja Unterberger, Medizinredakteurin
Julia Kerkhoff, Studentin der Humanmedizin
Migräne bei Kindern
Kurzübersicht- Allgemeines: Etwa vier bis fünf Prozent aller Kinder sind von Migräne betroffen.
- Behandlung: Vorwiegend unterstützende Maßnahmen (z. B. Wärmeanwendungen, Entspannungsverfahren, autogenes Training, Biofeedback), bei Bedarf Medikamente (z. B. Schmerzmittel)
- Symptome: Heftige Kopfschmerzen, außerdem: Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Blässe, Appetitlosigkeit, Müdigkeit
- Ursachen: Ursachen sind noch unbekannt, Neigung vermutlich angeboren. Faktoren wie unregelmäßige Schlafenszeiten oder ausgelassene Mahlzeiten, Stress und Leistungsdruck begünstigen Migräne-Attacken.
- Diagnose: Ausführliches Anamnesegespräch, körperliche Untersuchung z. B. auf neurologische Auffälligkeiten (Sehprobleme, Gleichgewichtsstörungen), Untersuchung mit bildgebenden Verfahren wie MRT
- Verlauf und Prognose: Migräne bei Kindern ist nicht heilbar, lässt sich jedoch meist gut behandeln. Bei der Hälfte der Kinder verschwindet die Migräne in der Pubertät, bei den anderen bleibt sie bestehen.
- Vorbeugen: Migräne-Tagebuch führen, ausgewogen ernähren, ausreichend trinken, regelmäßig bewegen, Stress vermeiden, den Alltag (auch an das Wetter) anpassen, Medienkonsum einschränken
Migräne bei Kindern: Beschreibung
Vier bis fünf Prozent aller Kinder leiden unter Migräne. Bei der Hälfte der Kinder lassen die Attacken in der Pubertät nach, beim Rest bleiben sie bis ins Erwachsenenalter bestehen. Besonders häufig entwickeln Kinder Migräne, deren Mutter und/oder Vater ebenfalls an Migräne erkrankt sind. Mädchen und Jungen sind bis zur Pubertät gleich häufig betroffen. Unter Jugendlichen tritt Migräne bei Mädchen häufiger auf als bei Jungen.
Migräne bei Kindern: Behandlung
Die Therapie von Migräne bei Kindern unterscheidet sich von der Behandlung bei Erwachsenen. Ärzte empfehlen, eine Migräne bei Kindern zunächst nur mit unterstützenden Maßnahmen ohne Medikamente zu behandeln.
Diese Maßnahmen sind bei Kindern erfahrungsgemäß viel wirkungsvoller als bei Erwachsenen. Lassen sich die Beschwerden so nicht ausreichend lindern oder hat das Kind starke Schmerzen, verordnen Ärzte bei Bedarf auch Medikamente. Allerdings bekommen Kinder andere Arzneimittel als Erwachsene.
Behandlung ohne Medikamente
Entspannungsverfahren: Kindern mit Migräne helfen meist bereits einfache Entspannungsverfahren wie die Muskelrelaxation nach Jacobson. Dabei lernen sie, bestimmte Muskelbereiche anzuspannen und wieder zu entspannen. Auch autogenes Training ist gut geeignet. Die Kinder sagen sich wiederholt Gedankenformeln vor (z.B. ?Mein Arm wird ganz schwer?) und entspannen sich dadurch. Bei beiden Methoden ist es allerdings wichtig, dass die Kinder die Übungen regelmäßig ? am besten täglich ? durchführen.
Physikalische Therapie: Die physikalische Therapie beinhaltet Wärmeanwendungen oder Massagen von Hals, Nacken, Kopf und Gesicht sowie Akupunktur. Diese Maßnahmen können starke Kopfschmerzen bei Kindern lindern.
Biofeedback: Laut der Deutschen Gesellschaft für Neurologie ist insbesondere das sogenannte Biofeedback bei Kindern und Jugendlichen sehr wirkungsvoll. Über Elektroden auf der Haut lassen sich verschiedene Körperfunktionen messen, beispielsweise Anspannung oder Entspannung der Kopfmuskulatur oder auch die Weit- und Engstellung der Arterien im Gehirn. Diese Messungen werden durch Ton- und Lichtsignale sichtbar gemacht. Die Betroffenen lernen so, diese Funktionen absichtlich und gezielt zu beeinflussen. Dadurch können sie einen akuten Migräne-Anfall abschwächen und den Attacken vorbeugen (Prophylaxe).
Nach Angaben der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) sind nicht-medikamentöse Verfahren bei Kindern meist ähnlich wirksam wie Medikamente.
Hausmittel
Bei einem akuten Migräne-Anfall ist es wichtig, dass die Kinder Ruhe bekommen. Selbst kleinste Tätigkeiten wie Umherlaufen oder Fernsehen verstärken oft die Migräne bei Kindern. Bringen Sie Ihr Kind in einen wohltemperierten und abgedunkelten Raum. Schirmen Sie es vor störenden Reizen und Geräuschquellen wie Radio oder Fernsehen ab. Achten Sie darauf, dass Ihr Kind ausreichend Wasser trinkt.
Auch einige Stunden Schlaf, ein kühles Tuch auf der Stirn oder eine Nackenmassage mit Pfefferminzöl sorgen in den meisten Fällen dafür, dass sich Kopfschmerzen und Migräne bei Kindern schnell wieder bessern.
Pfefferminzöl darf bei Säuglingen und Kleinkindern nicht angewendet werden!
Gerade kleine Kinder mit Migräne schlafen auch beim Spielen ein. Lassen Sie Ihr Kind in diesem Fall am besten einfach weiterschlafen. Der Schlaf tut Ihrem Kind gut, und es wacht möglicherweise ohne Kopfschmerzen wieder auf.
Hausmittel haben ihre Grenzen. Wenn die Beschwerden über einen längeren Zeitraum anhalten, nicht besser oder sogar schlimmer werden, sollten Sie immer Ihren Kinderarzt oder Ihre Kinderärztin aufsuchen.
Medikamente bei einem Migräne-Anfall
Die medikamentöse Behandlung von Migräne bei Kindern ist nicht das erste Mittel der Wahl. Die ärztliche Empfehlung lautet, zuerst nicht-medikamentöse Methoden auszuprobieren. Medikamente dienen bei Kindern mit Migräne eher als Reservemaßnahme, wenn die anderen Methoden nicht erfolgreich sind.
Werden die Schmerzmittel frühzeitig eingenommen, lassen sich die Migräne-Attacken manchmal noch stoppen. Da Migräne-Anfälle bei Kindern meist kürzer sind als bei Erwachsenen, wirken die Medikamente oft erst dann, wenn die Attacke schon vorbei ist. Allerdings gibt es auch Kinder, die sehr starke Schmerzen haben und dringend Medikamente benötigen. Ob und in welcher Dosis Ihr Kind Schmerzmittel einnehmen sollte, erklärt Ihnen Ihr Arzt oder Ihre Ärztin.
Migräne-Medikamente bei Kindern unter 12 Jahren
Bei einem akuten Migräne-Anfall empfehlen Ärzte Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Paracetamol für Kinder.
Migräne-Medikamente bei Kindern und Jugendlichen ab 12 Jahren
Kinder ab zwölf Jahren dürfen nach einer ärztlichen Untersuchung die folgenden Medikamente einnehmen:
- Schmerzmittel wie Aspirin (Acetylsalicylsäure) sind als Tabletten, Pulver oder Zäpfchen erhältlich.
- Das verschreibungspflichtige Antiemetikum Domperidon gibt es als Tabletten oder Zäpfchen. Das Medikament bekämpft nicht nur die Übelkeit, sondern verstärkt auch die Wirkung von Schmerzmitteln.
- Wirkstoffe aus der Gruppe der Triptane wirken gefäßverengend, entzündungshemmend und schmerzlindernd. Dazu gehören beispielsweise die Mittel Sumatriptan und Zolmitriptan in Form von Nasensprays.
Viele Medikamente gegen Migräne (z. B. Metoclopramid oder Steroide), die Erwachsenen helfen, richten bei Kindern unter Umständen schwere Schäden an. Geben Sie Ihrem Kind niemals Medikamente, die Sie selbst einnehmen!
Migräne bei Kindern: Symptome
Plötzliche Kopfschmerz-Attacken, die wiederholt auftreten oder längere Zeit anhalten, sind das häufigste Symptom bei Kindern mit Migräne. Manchmal äußert sich der Kopfschmerz auch als starker Druck am Kopf. Je jünger das Kind ist, desto eher sind die Kopfschmerzen beidseitig (bilateral).
Selten betrifft der Migränekopfschmerz nur eine Seite wie bei Erwachsenen. Am häufigsten tritt der Schmerz an der Stirn, den Schläfen und im Augenbereich auf. Schmerzen im hinteren Bereich des Kopfes sind für eine Migräne bei Kindern eher untypisch.
Im Gegensatz zu Erwachsenen kommt es bei Kindern auch oft zu Migräne ohne Kopfschmerzen oder die Attacken sind kürzer als bei Erwachsenen. Dafür kommen Übelkeit und Erbrechen bei Kindern deutlich stärker und häufiger vor bei Migräne.
Manche Kinder mit Migräne zeigen zusätzlich oder ausschließlich andere Symptome:
- Licht-, Lärm- und Geruchsempfindlichkeit (besonders bei Kleinkindern sind diese Migräne-Symptome eher aus dem Verhalten der Kinder ableitbar ? die betroffenen Kinder können die Beschwerden selten selbst formulieren)
- erhöhte Temperatur (ab 37,5 Grad Celsius) oder Fieber (ab 38 Grad Celsius)
- Bauchschmerzen (sogenannte ?Bauchmigräne? oder abdominelle Migräne)
- Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen
- vermehrter Harndrang
- Durst
- Herzrasen
Besonders von der ophthalmoplegischen Migräne sind häufig Kinder betroffen. Das ist eine Erkrankung, die mit Migränekopfschmerzen und Lähmungen eines einzelnen Nervs oder mehrerer Nerven einhergeht. Die betroffenen Nerven sind die Hirnnerven III, IV und VI. Sie sind für die Augenbewegungen zuständig. Bei einer Lähmung dieser Nerven nehmen die Kinder Doppelbilder wahr.
Inzwischen wird diese Erkrankung von der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft zur Gruppe der Neuropathien und Gesichtsschmerzen gezählt. Sie trägt heute den Namen ?rezidivierende schmerzhafte ophthalmoplegische Neuropathie?.
Migräne-Attacken mit Aura
Manche Kinder haben auch neurologische Beschwerden ? die sogenannte ?Aura?. Typische Anzeichen sind zum Beispiel optische Halluzinationen wie bunte Farben und seltsame Formen, die das Kind wahrnimmt. Auch Sehstörungen, Lichtblitze oder flimmernde Muster treten auf. Mediziner sprechen dabei auch vom ?Alice-im-Wunderland-Syndrom?.
Weitere typische Aura-Symptome sind Missempfindungen, zum Beispiel ein Taubheits- oder Lähmungsgefühl oder auch Kribbeln in Armen und Beinen. Manche Kinder haben außerdem Probleme zu sprechen.
Wie lange hält eine Migräne-Attacke bei Kindern an?
In den meisten Fällen ist ein Migräne-Anfall bei Kindern nach zwei bis sechs Stunden vorüber. Die Attacken sind kürzer als bei Erwachsenen. Gelegentlich kann eine Migräne bei Kindern jedoch auch bis zu 48 Stunden andauern.
Auch die Symptome einer Aura sind bei Kindern nur vorübergehend und kündigen die Kopfschmerzen der Migräne in der Regel an. Die Aura-Wahrnehmungen lassen meist schnell nach und halten etwa eine halbe bis eine Stunde lang an. Bleibende neurologische Schäden sind nicht zu befürchten.
Wie erkennt man Migräne bei Kindern?
Gerade kleine Kinder können ihre Empfindungen und Körpersignale noch nicht genau deuten und sich nicht richtig ausdrücken. Achten Sie deshalb darauf, ob sich Ihr Kind anders verhält als sonst. Viele Kinder hören beispielsweise auf zu spielen, sind blass oder rot im Gesicht oder möchten sich gerne hinlegen und schlafen.
Andere Kinder werden unruhig und reizbar. Manche klagen über Bauchweh oder kneifen die Augen bei hellem Licht zusammen. Schulkinder haben zudem oft plötzlich Probleme, sich zu konzentrieren und ihre Hausaufgaben zu machen. Auch bei Kopfschmerzen, die das Kind nachts wecken, sollten Sie an Migräne denken.
Migräne bei Kindern äußert sich häufig anders als bei Erwachsenen. Achten Sie daher genau auf das Verhalten Ihres Kindes und lassen Sie auftretende Beschwerden gegebenenfalls ärztlich abklären.
Migräne bei Kindern: Ursachen
Bislang ist noch nicht vollständig geklärt, was eine Migräne bei Kindern auslöst. Man vermutet jedoch, dass Migräne erblich bedingt ist, da sie in vielen Familien gehäuft auftritt. Auch scheinen gewisse Trigger-Faktoren (Auslöser) Migräne-Attacken bei Kindern zu begünstigen.
Das kindliche Gehirn reagiert auf viel mehr Reize und Ereignisse mit einem Migräne-Anfall als das Gehirn von Erwachsenen. Die folgenden Auslöser sind typische Migränetrigger bei Kindern:
Niedriger Blutzucker und Flüssigkeitsmangel
Strengen sich Kinder körperlich zu stark an, reagieren sie häufig mit Kopfschmerzen darauf. Das liegt unter anderem daran, dass sie nicht genügend getrunken oder gegessen haben. Vor allem Kinder reagieren besonders sensibel auf einen zu niedrigen Blutzuckerspiegel. Häufig machen sich Migräne-Attacken bemerkbar, wenn ein Kind beispielsweise morgens nicht gefrühstückt hat.
Unregelmäßiger Schlaf
Sowohl zu wenig als auch zu viel Schlaf führt unter Umständen zu einem Migräne-Anfall. Sehr häufig gerät der Schlafrhythmus am Wochenende durcheinander, wenn die Kinder zu spät ins Bett gehen und dafür länger schlafen. Das kann Migräne-Attacken begünstigen. Umgekehrt erschwert eine Attacke auch das Einschlafen.
Stress
Psychische Belastungen und Stress können ebenfalls Migräne bei Kindern auslösen. Dazu zählt zum Beispiel auch die Reizüberflutung durch elektronische Geräte wie Computer, Smartphone oder Fernseher. Ein hoher Medienkonsum vor dem Schlafengehen wirkt sich besonders negativ aus.
Mangelnde körperliche Bewegung, familiäre Konflikte und hohe Leistungsansprüche in der Schule sowie Mobbing sind ebenso häufig Auslöser für Migräne-Attacken. Auch eine Erkältung oder die Vorfreude auf ein Geburtstagsfest rufen unter Umständen Stress hervor und verursachen Migräne bei Kindern.
Wetter
Vor allem Kinder reagieren auf bestimmte Wetterlagen sensibel. Oft lösen ein plötzlicher Temperaturwechsel (meist ein Temperaturanstieg) und eine hohe Luftfeuchtigkeit Migräne bei Kindern aus. Allerdings ist ein direkter Zusammenhang zwischen dem Wetter und Migräne bislang nicht wissenschaftlich belegt.
Lärm und Licht
Insbesondere Lärm und Lichtveränderungen können einen Migräne-Anfall bei Kindern verursachen. Vor allem Lärm löst starken Stress aus. Das gilt nicht nur für laute Geräusche in der Nähe von Baustellen oder durch den Straßenverkehr, sondern auch für zu laut eingestellte Musik (insbesondere bei Kopfhörern).
Kinder reagieren auch sehr sensibel auf veränderte Lichtverhältnisse, wenn zum Beispiel der Schreibtisch frontal vor einem Fenster platziert ist. Arbeitsmediziner empfehlen, einen Schreibtisch stattdessen im rechten Winkel zum Fenster aufzustellen. Auch flackernde Blitzlichter in Clubs können bei manchen Jugendlichen eine Migräne auslösen.
Chemische Reizstoffe
Kinder reagieren häufig sehr sensibel auf chemische Reizstoffe. Typische kopfschmerzauslösende Substanzen sind beispielsweise:
- Abgase von Autos
- Farb- und Klebstoffe (z. B. beim Basteln)
- Parfums und Deodorants
- Wohngifte (z. B. Holzschutzmittel oder Lösungsstoffe in Möbeln oder Fußböden)
- Zigarettenrauch
Nahrungsmittel
Auch bestimmte Nahrungsmittel stehen im Verdacht, Migräne auszulösen. So ist eine Unverträglichkeit bestimmter Stoffe ein möglicher Grund, etwa die Eiweißstoffe Tyramin und Histamin. Wissenschaftliche Belege dazu fehlen jedoch noch. Folgende Lebensmittel werden als mögliche Auslöser von Migräne bei Kindern diskutiert:
- Kuhmilch, Eier, Käse
- Schokolade, kakaohaltige Produkte
- Koffein
- glutenhaltige Getreidesorten (z. B. Weizen, Roggen, Dinkel, Gerste)
- Tomaten
- Zitrusfrüchte (z. B. Zitronen, Orangen)
- Fettige Speisen wie Wurst, Schinken, Salami, Schweinefleisch
Nach derzeitigem Wissensstand ist es nicht notwendig, bei Migräne generell auf bestimmte Nahrungsmittel zu verzichten. Eine spezielle ?Migränediät? ist ernährungsmedizinischen Erkenntnissen zufolge nicht sinnvoll.
Migräne bei Kindern: Diagnose
Da sich kleine Kinder meist noch nicht entsprechend ausdrücken können, gestaltet sich die Diagnostik bei einer kindlichen Migräne oft schwierig. In vielen Fällen wird eine Migräne erst relativ spät festgestellt. Wenn Sie Migräne bei Ihrem Kind vermuten, lassen Sie Ihr Kind möglichst rasch ärztlich untersuchen.
Der Kinder- oder Hausarzt ist Ihr erster Ansprechpartner. Bei Bedarf oder für weitere Untersuchungen überweist er Ihr Kind gegebenenfalls weiter an einen Neurologen oder Kinderneurologen.
Treten plötzliche Kopfschmerzen bei Ihrem Kind häufiger auf, dauern sie länger an oder verstärken sie sich, gehen Sie möglichst rasch zum Arzt!
Gespräch mit dem Arzt
Zunächst führt der Arzt ein ausführliches Gespräch (Anamnese) mit den Eltern. Dabei erfasst er die Krankengeschichte des Kindes. Besonders bei kleinen Kindern ist es wichtig, dass die Eltern beschreiben, welche Beschwerden ihnen bei ihrem Kind aufgefallen sind. Ärzte empfehlen unter anderem auch, Freunde, Verwandte oder Betreuer in der Schule oder im Kindergarten zu befragen.
Kleine Kinder sind oft noch nicht in der Lage, ihre Schmerzen und Beschwerden entsprechend auszudrücken. Daher ist es für Ärzte mitunter schwierig, eine Migräne bei Kindern zu diagnostizieren.
Etwas größere Kinder befragt der Arzt direkt selbst. Dabei stellt er unter anderem Fragen wie diese:
- Kannst du zeigen, wo es dir wehtut?
- Seit wann tut es weh?
- Hast du so etwas öfter oder ist es das erste Mal?
- Wo tut es ? außer im Bauch ? noch weh? (Kinder neigen dazu, auch andere Schmerzen als Bauchweh zu beschreiben.)
- Ist dir aufgefallen, ob die Schmerzen immer in einer bestimmten Situation auftreten? (Das kann z.B. beim Spielen oder Sport, nach einem Streit usw. sein.)
Körperliche Untersuchung
Nach dem Gespräch folgt eine körperliche Untersuchung. Dazu tastet der Arzt das Kind unter anderem an Kopf, Armen und Beinen ab und untersucht es auf neurologische Auffälligkeiten: Sieht es Lichtblitze? Hat es einen wackeligen Gang? Fühlen sich die Arme oder Beine taub an? Zudem kontrolliert er, ob die geistige und körperliche Entwicklung des Kindes seinem Alter entspricht.
Auch Zahn- oder Kieferfehlstellungen, Sehschwierigkeiten, verspannte Muskeln oder Blockaden führen unter Umständen zu starken Kopfschmerzen. Daher sind oft weitere Untersuchungen notwendig, um andere Ursachen für die Kopfschmerzen auszuschließen. Dazu gehören beispielsweise bildgebende Untersuchungen des Schädels wie eine Magnetresonanztomografie (MRT).
Führen eines Migräne-Tagebuchs
Für die Diagnose ist es sinnvoll, wenn Sie gemeinsam mit Ihrem Kind ein Migräne-Tagebuch führen und es bei jedem Arztbesuch mitbringen. Tragen Sie in dieses Tagebuch zum Beispiel genau ein, wann die Kopfschmerzen auftreten, wie stark sie sind, wie lange sie anhalten und ob sie von weiteren Beschwerden begleitet sind (z. B. Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen etc.).
Diese detaillierten Angaben machen es dem behandelnden Arzt leichter, Migräne bei Ihrem Kind zu erkennen und andere Erkrankungen auszuschließen. Außerdem hilft ein Kopfschmerztagebuch auch Ihnen zu Hause, um die auslösenden Faktoren für die Kopfschmerzen bei Ihrem Kind festzustellen und diese Trigger zu vermeiden.
Es gibt vorgefertigte Kopfschmerzkalender für jeweils einen Monat, in denen Sie diese Informationen zusammen mit Ihrem Kind notieren können.
Migräne bei Kindern: Verlauf und Prognose
Bei etwa der Hälfte der Kinder verschwindet die Migräne mit der Pubertät, bei den restlichen Kindern bleibt sie bestehen. Meist lässt sich Migräne bei Kindern jedoch gut behandeln. Dabei gilt: Entscheidend für eine günstige Prognose ist letztlich, wie gut es Ihrem Kind gelingt, auslösende Faktoren wie Stress zu vermeiden.
Da kleine Kinder ihre Symptome oft noch nicht richtig äußern können, ist es schwierig, eine Diagnose frühzeitig zu stellen. Die Therapie setzt daher oft verspätet ein, was für viele Kinder mit Belastungen im Alltag, in der Schule oder in der Familie verbunden ist. Umso wichtiger ist es, das Kind bereits bei den ersten Anzeichen einer Migräne ärztlich untersuchen zu lassen.
Migräne bei Kindern: Vorbeugung
Migräne-Attacken bei Kindern lassen sich nicht gänzlich vermeiden. Allerdings gibt es einige Maßnahmen, mit denen man einem Anfall vorbeugen kann. Dazu gilt es in erster Linie, mögliche Auslöser zu vermeiden.
Führen eines Migräne-Tagebuchs: Um herauszufinden, welche Auslöser für die Migräne bei Ihrem Kind verantwortlich sind, kann das Führen eines Migräne-Tagebuchs helfen. Auf diese Weise lassen sich diese Trigger identifizieren und vermeiden.
Ausgewogen ernähren: Achten Sie darauf, dass Ihr Kind sich ausgewogen ernährt und regelmäßig isst. Kinder sollten keine Mahlzeiten auslassen. Ein konstanter Blutzuckerspiegel ohne große Schwankungen beugt Migräne-Anfällen nachweislich vor. Regelmäßige Mahlzeiten mit komplexen Kohlenhydraten aus Vollkornprodukten, Kartoffeln, Obst und Gemüse sind ideal.
Ausreichend trinken: Wichtig ist, dass Ihr Kind ausreichend Flüssigkeit (vor allem beim Sport) zu sich nimmt und regelmäßig Wasser trinkt. Auf diese Weise beugen Sie einem Flüssigkeitsmangel und damit Kopfschmerzen vor.
Getränke, die reich an Koffein oder Tein sind (z.B. Cola-Getränke, Eistee) sind für Kinder nicht geeignet! Diese verlängern unter Umständen die Migräne-Attacken zusätzlich oder bewirken, dass die Anfälle häufiger auftreten.
Regelmäßige Bewegung: Wenn Ihr Kind häufig über Kopfschmerzen nach dem Sport klagt, sind Ausdauersportarten wie Schwimmen, Laufen oder Radfahren sinnvoll. Damit gewöhnt sich der Körper Ihres Kindes schonend an die körperliche Belastung, was die Kopfschmerzen meist verschwinden lässt. Regelmäßige Bewegung im Freien eignet sich zudem ideal als Ausgleich zum stressigen Schulalltag Ihres Kindes.
Ausreichend schlafen: Besonders bei Kindern mit Migräne ist es wichtig, auf einen möglichst regelmäßigen Schlafrhythmus mit gleichbleibenden Schlafens- und Aufstehzeiten zu achten. Der Schlafbedarf ist bei Kindern individuell verschieden. Während jüngere Kinder noch mehr Schlaf benötigen, geht der Schlafbedarf bei älteren Kindern und Jugendlichen mit der Zeit leicht zurück.
Medienkonsum einschränken: Kinder, die viel Zeit mit dem Smartphone, Computer oder Fernseher verbringen, sind häufiger von Migräne-Anfällen betroffen. Achten Sie darauf, den täglichen Medienkonsum Ihres Kindes auf ein vernünftiges Maß zu begrenzen und insbesondere aggressive und belastende Inhalte von Ihrem Kind fernzuhalten.
Stress vermeiden: Oft löst auch psychischer Stress bei Kindern einen Migräne-Anfall aus. Versuchen Sie, psychisch belastende Situation wie Streit innerhalb der Familie von Ihrem Kind fernzuhalten. Achten Sie auch darauf, dass Ihr Kind einen Ausgleich (z. B. Bewegung im Freien) zum stressigen Schulalltag hat und Sie keinen zusätzlichen Leistungsdruck ausüben.
Verhalten an das Wetter anpassen: Sie können zwar das Wetter nicht ändern, aber zumindest besteht die Möglichkeit, das Verhalten Ihres Kindes an kritischen Tagen anzupassen. Wenn beispielsweise ein Wetterwechsel bevorsteht oder es besonders warm und schwül ist, sollten Sie mehr Erholungsphasen (z. B. Mittagsschlaf) im Alltag einplanen. Auch damit lassen sich Migräne-Anfälle bei Kindern manchmal verhindern.
Reizstoffe meiden: Manche Substanzen lösen Kopfschmerzen aus. Vermeiden Sie, dass Ihr Kind Reizstoffen wie Abgasen sowie Farb- und Duftstoffen ausgesetzt ist. Auf das Rauchen sollten Sie in Gegenwart Ihres Kindes ebenfalls verzichten.
Medikamente zur Vorbeugung
Laut der Deutschen Gesellschaft für Neurologie ist bislang nicht zweifelsfrei belegt, ob Medikamente zur Vorbeugung einer Migräne bei Kindern tatsächlich wirksam sind. Deshalb handelt es sich bei der medikamentösen Vorbeugung bei Migräne im Kindesalter um eine Reservemaßnahme. Sie wird eingesetzt, wenn andere Methoden erfolglos geblieben sind. Die medikamentöse Vorbeugung sollte bei Kindern aber nicht das erste Mittel der Wahl sein.
Untersuchungen weisen darauf hin, dass der Betablocker Propranolol sowie der Calciumkanalblocker Flunarizin bei Kindern und Jugendlichen mit Migräne helfen können. Weitere Studien zeigen außerdem, dass Botulinumtoxin Typ A (besser bekannt als Botox) bei Jugendlichen Migräne-Attacken vorbeugt. Allerdings sind diese Wirkstoffe aufgrund fehlender Daten bislang nicht bei Kindern mit Migräne zugelassen.
Treten plötzlich ungewöhnliche, sehr heftige Kopfschmerzen auf, halten die Beschwerden trotz gängiger Maßnahmen über längere Zeit an oder kommen diese immer wieder, sollten Sie Ihr Kind ärztlich untersuchen lassen!
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Diener H. C.: Migräne: Taschenatlas Spezial mit Leitlinie Therapie der Migräneattacke und Migräneprophylaxe, Thieme Verlag, 2. Auflage, 2006
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