Martina Feichter, Medizinredakteurin und Biologin
Leistenbruch-OP
- Warum sollte ein Leistenbruch operiert werden?
- Wahl der Operationsmethode
- Offene Leistenbruch-OP
- Minimal-invasive Leistenbruch-OP
- Leistenbruch-OP Kinder
- Verhalten nach Operation
- Komplikationen
Warum sollte ein Leistenbruch operiert werden?
Ein Leistenbruch bildet sich in der Regel nicht wieder von allein zurück. Er bleibt ohne Behandlung dauerhaft bestehen. Die große Gefahr, die dabei besteht, ist die sogenannte Inkarzeration. Dies bedeutet, dass versorgende Blutgefäße an der Bruchpforte abgeklemmt werden, wodurch der Bruchinhalt (meist Darmabschnitte) nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt wird. Das betroffene Gewebe kann dann absterben und eine gefährliche Bauchfellentzündung (Peritonitis) nach sich ziehen.
Die Leistenbruch-Behandlung besteht daher sehr oft aus einer Operation. Konkret heißt das:
- Ein Leistenbruch bei Kindern ist in der Regel angeboren und wird dann immer operiert. Er bildet sich nicht von allein zurück und kann Komplikationen verursachen.
- Auch bei Frauen ist bei einem Leistenbruch die Operation die Therapie der Wahl - egal, ob die Hernie Beschwerden verursacht oder nicht. Denn zum einen entwickeln Frauen häufiger Komplikationen als Männer. Zum anderen verbirgt sich hinter einem Leistenbruch bei Frauen oft ein Schenkelbruch (Schenkelhernie) und dieser hat ein hohes Komplikationsrisiko. Nur bei Schwangeren mit Leistenbruch wird oftmals zuerst abgewartet und beobachtet (Verlaufsbeobachtung). Eventuell wird die Hernie nach der Geburt operiert.
- Bei Männern wird ein Leistenbruch operiert, sobald er Symptome verursacht. Solange keine Beschwerden bestehen und sich der Leistenbruch nicht vergrößert, wendet man die Strategie des "watchful waiting" an - man wartet zunächst ab und beobachtet den Leistenbruch.
Egal, ob Erwachsener oder Kind, männlich oder weiblich - ein eingeklemmter Leistenbruch (inkarzerierte Leistenhernie) ist ein Notfall! Ärzte führen dann so schnell wie möglich eine Leistenhernien-OP durch.
Die Wahl der Operationsmethode
Heutzutage gibt es eine Vielzahl verschiedener Leistenbruch-OP-Methoden. Sie lassen sich grob in offene und minimal-invasive Techniken einteilen. Jede davon hat ihre Vor- und Nachteile. Der Arzt entscheidet im Einzelfall, welches OP-Verfahren für den jeweiligen Patienten am besten geeignet ist.
Wichtige Kriterien sind zum Beispiel
- Lage und Größe des Leistenbruchs
- Ersterkrankung oder Rezidiv
- Alter und Geschlecht des Patienten
- Der allgemeine Gesundheitszustand des Betroffenen
- Eventuelle Begleiterkrankungen
Patienten etwa, die in der Vergangenheit eine Beckenoperation hatten, erhalten normalerweise eine offene Leistenbruch-OP. Bei Frauen mit Leistenbruch wird nach Möglichkeit ein offener Eingriff vermieden (wegen erhöhtem Rückfallrisiko nach offener Leistenbruch-OP) und stattdessen eine minimal-invasive Operationsmethode gewählt. Ob es sich um eine direkte oder indirekte Leistenhernie handelt, spielt hingegen keine relevante Rolle.
Eine Leistenbruch-OP wird meist unter Vollnarkose durchgeführt. Manchmal genügt es auch, nur den Teil des Körpers zu betäuben, der operiert wird (Regionalanästhesie).
Manchmal ist für den Eingriff ein kurzer stationärer Aufenthalt im Krankenhaus nötig. So werden etwa Kleinkinder sicherheitshalber meist über Nacht in der Klinik behalten. Oft kann die Leistenbruch-OP aber auch ambulant durchgeführt werden: Der Patient darf nach einigen Stunden Überwachung noch am gleichen Tag nach Hause.
Mit oder ohne Netz?
Sobald der Bruchsack zurück an seinen Ursprungsort (Bauchhöhle) gebracht und die Lücke in der Bauchwand geschlossen (genäht) wurde, kann der Arzt zusätzlich noch ein Kunststoffnetz einbringen. Das besteht etwa aus Polypropylen. Durch die zusätzliche Stabilisierung mit dem Netz ist das Rückfallrisiko niedriger als bei einer Leistenbruch-OP ohne Netzeinlage.
Die aktuell gültigen internationalen Leitlinien geben netzbasierten Verfahren den Vorzug (abhängig von der Erfahrung der jeweiligen Chirurgen).
Nichtsdestotrotz ist ein Netz nicht immer nötig. Das kann zum Beispiel bei jugendlichen Männern mit indirektem Leistenbruch der Fall sein: Sie haben ohnehin nur ein geringes Rückfallrisiko.
Offene Leistenbruch-OP
Bei einer offenen Leistenbruch-OP setzt der Chirurg einen größeren Schnitt in der Leistengegend, verlagert den Bruchinhalt wieder in den Bauchraum und verschließt anschließend den Leistenkanal. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten:
Bei der offenen Leistenbruch-OP ohne Netz vernäht der Chirurg die Bruchpforte einfach mit benachbartem Bindegewebe. Empfohlen wird dabei das OP-Verfahren nach Shouldice. Es ist das derzeit beste Nahtverfahren.
Bei der offenen Leistenbruch-Op mit Netz stabilisiert der Arzt die Bruchpforte zusätzlich mit einem Kunststoffnetz. Am häufigsten erfolgt der Eingriff nach der sogenannten Lichtenstein-Methode.
Ein Vorteil der offenen Operation bei Leistenbruch ist, dass dabei unter örtlicher Betäubung oder Teilnarkose operiert werden kann. Außerdem ist vermutlich das Risiko für Gefäßverletzungen etwas niedriger als bei einem minimal-invasiven Eingriff. Dafür leiden Patienten nach einer offenen Leistenbruch-OP häufiger unter anhaltenden Schmerzen in der Leiste.
Minimal-invasive Leistenbruch-OP
In Deutschland werden sehr viele Leistenbruch-Operationen endoskopisch (laparoskopisch) durchgeführt. Das heißt: Der Chirurg setzt mehrere kleine Hautschnitte, über die er die verschiedenen OP-Instrumente in die Bauchdecke oder den Bauchraum einführt. Da die Schnitte wesentlich kleiner sind als bei einer offenen Leistenbruch-OP, spricht man auch von einem minimal-invasiven Eingriff.
Auch hier unterscheidet man verschiedene Techniken. Bei allen aber wird nicht nur der Bruchinhalt zurückverlagert, sondern auch ein Netz eingelegt.
Ein Vorteil der minimal-invasiven Leistenbruch-OP ist, dass die Betroffenen schneller wieder körperlich aktiv sein und arbeiten können als nach einem offenen Eingriff (im Schnitt ungefähr vier Tage eher als nach einer offenen Leistenbruch-OP). Außerdem ist das Risiko für Infektionen, Missempfindungen und bleibende Schmerzen in der Leiste sowie vermutlich auch für Blutergüsse geringer.
Zusammengefasst wählt der Arzt in folgenden Fällen üblicherweise eine minimal-invasive Leistenbruch-OP:
- Frauen
- Beidseitigen Leistenhernien
- Erneute Leistenhernie nach offener Leistenbruch-OP
- Deutliche Schmerzen bereits vor der OP
- Schnelle Genesung gewollt
Leistenbruch-OP bei Kindern
Auch bei Kindern wählen Ärzte entweder ein offenes oder ein minimal-invasives Leistenbruch-OP-Verfahren. Eindeutige Untersuchungen, welche die bessere Methode ist, gibt es bislang nicht. Eine Netzeinlage ist bei Kindern aber nicht sinnvoll: Sie befinden sich noch im Wachstum. Welches Verfahren einer Leistenbruch-OP das beste ist, entscheidet der Kinderarzt beziehungsweise Kinderchirurg individuell.
Verhalten nach Operation
Bereits kurz nach der Operation kann der Patient leichte Kost zu sich nehmen. Außerdem ist es wichtig, viel zu trinken. Auf Rauchen sollte der Patient hingegen verzichten - es stört die Wundheilung.
Es empfiehlt sich, die operierte Stelle zu kühlen. Das wirkt einer Schwellung und Entzündung entgegen. Rund zwei Tage nach der Operation kann man meist wieder normal duschen.
Körperliche Aktivität ist nach der Operation recht schnell wieder möglich. Schon wenige Stunden nach dem Eingriff können und dürfen viele Patienten wieder herumlaufen und leichte Bewegungsübungen machen. Mit dem Heben schwerer Lasten sollte sicherheitshalber noch einige Wochen gewartet werden.
Der behandelnde Arzt wird im Einzelfall genauere Anweisungen und Empfehlungen zu körperlicher Belastung geben. Beispielsweise muss man sich nach einer Leistenbruch-OP ohne Netz meist längere Zeit schonen als nach einem Eingriff mit Kunststoffnetz.
Schmerzen nach einer Leistenbruch-OP sind möglich. Sie können sich verstärken, wenn der Druck im Bauch ansteigt, also zum Beispiel durch Pressen beim Stuhlgang oder durch Husten. Dann können Schmerzmittel helfen. Besprechen Sie die Einnahme solcher Medikamente aber mit Ihrem Arzt.
Bei starken Schmerzen, Rötungen, Schwellung in der Leistengegend sowie Fieber sollten Sie umgehend den behandelnden Arzt verständigen!
Leistenbruch-OP: Komplikationen
Probleme nach Leistenbruch-OPs sind relativ selten. Wie bei jeder Operation bestehen aber allgemeine Risiken. Dazu gehören zum Beispiel:
- Blutungen und blaue Flecken (Blutergüsse)
- Ansammlung von Gewebsflüssigkeit (Serom)
- Schmerzen
- Nervenschäden (an der Haut, in der Leistenbruch-OP-Region, beim Einsetzen des Netzes)
- Wundheilungsstörungen
- Wundinfektion
Um eine Infektion zu verhindern, kann der Arzt Antibiotika verschreiben. Allerdings empfehlen die Experten der internationalen Leitlinie eine prophylaktische Antibiotika-Gabe nur noch bei Patienten, die anfällig für Infekte sind wie beispielsweise fortgeschritten Zuckerkranke. Bei einer minimal-invasiv durchgeführten Leistenbruch-OP treten Wundinfektionen, Blutergüsse und anhaltenden Leistenschmerzen etwas seltener auf als bei einer offenen Operation.
Verletzung von Strukturen in der Leistenregion
Bei der Operation eines Leistenbruchs können umliegende Strukturen verletzt werden. Bei männlichen Patienten kann es Gefäße und Nervenstränge des Samenstrangs treffen. Aber auch der Samenstrang selbst oder die Harnblase können in Mitleidenschaft gezogen werden. Der Hoden kann sich zurückbilden oder sich ein sogenannter sekundärer Hodenhochstand entwickeln. Der sekundäre Hodenhochstand tritt vor allem bei operierten Säuglingen auf, wenn das neu vernähte Gewebe Zug auf den Hoden ausübt.
Eine unangenehme Komplikation sind auch Leistenschmerzen nach einer Leistenbruch-OP. Sie entstehen, wenn Nerven, die durch den Leistenkanal verlaufen, durch den Eingriff verletzt werden oder unter Zug geraten. Die Leistenschmerzen nach einer Leistenbruch-OP können auch chronisch werden. Folgende Faktoren erhöhen das Risiko eines chronischen Schmerzsyndroms nach einer Leistenbruch-Operation:
- Jüngere Patienten
- Frauen
- Starker Schmerz schon vor der Leistenbruch-OP
- Starker Schmerz früh nach der OP
- Leistenbruch-Rezidive
- Offene Leistenbruch-OP, ohne Netz
- Kleinporige Netze
Der Arzt achtet nach der Operation eines Leistenbruchs auf eine schnelle und ausreichende Schmerzbehandlung. Wird diese nämlich vernachlässigt, steigt das Risiko chronischer Leistenschmerzen deutlich.
Komplikationen durch das eingesetzte Netz
Das bei einer Leistenbruch-OP eingesetzte Netz ist für den Körper ein dauerhafter Fremdkörper. Der Organismus kann überempfindlich darauf reagieren, zum Beispiel mit einer Entzündung. Auch eine Netzinfektion ist möglich - sogar auch noch einige Wochen oder Monate nach der Leistenbruch-OP. Bei manchen Patienten verrutscht das Netz, rollt sich ein oder schrumpft.
Bei solchen Netz-spezifischen Komplikationen kann es notwendig werden, das Netz wieder zu entfernen.
Rückfall (Rezidiv)
In wenigen Fällen tritt bei operierten Patienten ein erneuter Leistenbruch auf, der ebenfalls operiert werden muss. Die Rückfallrate ist höher bei
- Direkten Leistenhernien
- Gleithernien
- Frauen
- Bereits vorliegender Rezidivhernie
- Rauchern
Wird während der Operation ein Netz eingesetzt, sinkt das Rückfallrisiko deutlich. Bei einem Rezidiv wählen Ärzte typischerweise einen anderen Zugang als bei der ersten Leistenbruch-OP.
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