Depression: Angehörige
Wie sollte man als Angehöriger mit depressiven Menschen umgehen?
Für viele Angehörige sind das Leben und der Umgang mit depressiven Menschen eine Herausforderung. Familienmitglieder und Freunde möchten den geliebten Menschen mit einer Depression aufheitern ? doch das funktioniert nicht. Eine Depression ist eine schwere Erkrankung, die sich unter anderem auf Antrieb, Stimmung, Schlaf und die Fähigkeit, Freude zu empfinden, auswirkt.
Für die Angehörigen ist diese Einsicht ebenso entscheidend wie für den Betroffenen selbst und wichtige Voraussetzung, um mit der Depression umzugehen. Denn: Eine Depression ist keine Laune oder böse Absicht und auf keinen Fall Zeichen für eine Charakterschwäche. Sie bedarf ? wie jede andere Erkrankung auch ? professioneller Hilfe.
Wie Sie eine Depression erkennen und welche Symptome die Krankheit mit sich bringt, lesen Sie in unserem Artikel über Depression.
Wie kann man den Betroffenen helfen?
Für Partner, Familienangehörige und Freunde eines depressiven Menschen ist es häufig schwer, mitzuerleben, wie schlecht es dieser Person geht. Sie fragen sich, wie sie bei Depressionen am besten helfen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Menschen mit Depressionen den Umgang mit der Erkrankung zu erleichtern:
Unterstützung beim Arztbesuch
Ist jemand über einen längeren Zeitraum hinweg niedergeschlagen, freudlos und antriebslos, ist es wichtig, sich professionelle Hilfe zu suchen. Bei diesem ersten Schritt sind viele Betroffenen auf die Unterstützung ihrer Angehörigen angewiesen. Depressiven Menschen fehlt oft der nötige Antrieb, um einen Arzttermin zu vereinbaren oder sie glauben nicht daran, dass ihnen dort geholfen wird.
Zudem wirkt die Diagnose "Depression" bedrohlich ? viele Menschen haben Angst davor. Doch es ist oft auch eine Erleichterung, zu wissen, dass die fehlende Lebensfreude Folge einer Erkrankung ist, die sich behandeln lässt. Zudem entlastet die Diagnose die Patienten, weil klar wird, dass es nicht ihr Fehler ist, wenn sie sich ständig niedergeschlagen fühlen. Nutzen Sie diese Informationen, um Angehörige mit einer Depression dazu zu motivieren, sich Hilfe zu suchen.
Geduld haben
Menschen mit Depressionen ziehen sich zurück und wirken auf ihr Umfeld oft ablehnend. Depressive melden sich vielleicht nicht mehr so häufig und gehen auf Abstand. Sozialer Rückzug und die Vernachlässigung der beruflichen und alltäglichen Pflichten sind typische Auswirkungen schwerer Depressionen.
Angehörige unterstützen den Patienten durch Geduld und Verständnis. Machen Sie sich bewusst, dass das Verhalten des Betroffenen nicht gegen Sie gerichtet ist, sondern Teil einer depressiven Phase ist. Wenden Sie sich nicht ab, auch wenn Ihr depressiver Angehöriger Sie zurückzuweisen scheint.
Depression: Hoffnung statt Druck machen
Setzen Sie einen depressiven Menschen nicht mit Bemerkungen wie "Nun reiß dich doch ein bisschen zusammen" unter Druck ? denn "Zusammenreißen" ist bei einer Depression nicht möglich. Auch Vorwürfe sind unangebracht und verschlimmern die Lage nur. Die Kranken machen sich ohnehin selbst starke Vorwürfe und leiden unter Schuldgefühlen aufgrund ihrer Depression. Die Beziehung aufrecht zu halten und den Betroffenen nicht aufzugeben, hilft, die Krankheit zu bewältigen.
Ebenfalls wichtig: Streiten Sie nicht mit Ihrem depressiven Angehörigen darüber, ob seine negative Sichtweise der Situation "objektiv" gerechtfertigt ist oder nicht. Auch das hat keine Aussicht auf Erfolg. Werten Sie die intensiv erlebten körperlichen Missempfindungen des Depressiven und seine Ängste vor einer körperlichen Erkrankung nicht als übertrieben oder "nur psychisch bedingt" ab. Denn depressive Menschen übertreiben ihr Erleben nicht.
Gut gemeinte Ratschläge vermeiden
Seien Sie vorsichtig mit gut gemeinten Ratschlägen: Empfehlen Sie einem depressiven Menschen beispielsweise nicht, mal richtig abzuschalten und für ein paar Tage zu verreisen. Gerade Menschen mit schweren Depressionen erleben in einer nicht vertrauten Umgebung ihre Freudlosigkeit manchmal noch weitaus schmerzhafter.
Wenn jemand sich vollständig vom gesellschaftlichen Leben zurückzieht, liegt es nahe, ihn aufmuntern oder motivieren zu wollen. Gute Ratschläge, die gesunden Menschen mit Problemen helfen, fruchten aber bei Depressiven nicht. Sie setzen den Patienten vielmehr unter Druck.
Keine Ratschläge zu erteilen, ist natürlich eine schwierige Aufgabe für Angehörige. Eine Depression ist aber definitiv nicht durch Aktivitäten und schöne Erlebnisse zu heilen. Depressive Menschen sind in ihren negativen Gedanken und Gefühlen gefangen und benötigen daher eine medikamentöse und/oder psychotherapeutische Behandlung.
Suizidgedanken ernstnehmen
Bei einer schweren Depression verlieren Betroffene manchmal den Lebensmut. Suizidgedanken sind Teil der depressiven Störung und werden durch Hoffnungslosigkeit und starke Selbstzweifel verstärkt. Wenn Menschen mit einer Depression davon sprechen, sich das Leben zu nehmen, ist das ein ernstzunehmendes Warnsignal!
Meist steckt dahinter nicht ein wirklicher Sterbewunsch, sondern vielmehr die fehlende Kraft, SO weiter zu leben, beziehungsweise der Verlust der Hoffnung, dass die Situation sich auch wieder zum Besseren wenden kann.
Auch wenn es schwerfällt: Sprechen Sie die Betroffenen darauf an, wenn er sich entsprechend äußert. Das können auch Sätze sein wie "Ohne mich wärt ihr besser dran" oder "ich bin für alle eine Last" oder auch nur "Ich mag nicht mehr". Konkrete Pläne, wie der Suizid umzusetzen wäre, deuten drauf hin, dass der Schritt zur Durchführung nicht mehr weit sein könnte.
Bieten Sie an, gemeinsam in eine psychiatrische Notfallklinik zu fahren. Lehnt Ihr Angehöriger dies ab, lassen Sie sich umgehend von einem Arzt oder Psychotherapeuten zum Umgang mit der Situation beraten.
Selbst wenn sich Depressive nicht helfen lassen wollen: Es ist möglich, Patienten, die Suizidgedanken äußern, auch gegen ihren Willen in eine Klinik einzuweisen.
Wie können sich Angehörige helfen?
Wenn die Depression bei einem Familienmitglied oder Freund über Monate anhält, ist das für Sie vermutlich sehr belastend. Beachten Sie Ihre eigenen Grenzen der Belastbarkeit und verlieren Sie Ihre Interessen nicht völlig aus den Augen.
Manchmal passiert es, dass die negative Stimmung des Depressiven Ihre eigene Stimmung ebenfalls trübt. Daher ist es wichtig, dass Sie gezielt auf positive Erlebnisse achten, Ihre Freundschaften pflegen und sich öfter etwas Gutes gönnen ? ohne schlechtes Gewissen Ihrem depressiven Angehörigen gegenüber.
Bauen Sie zudem ein Netzwerk auf, das Sie im Umgang mit dem Erkrankten unterstützt und Ihnen hilft. Wenden Sie sich an den zuständigen Arzt oder Therapeuten. Dort erhalten Sie weitere Informationen im Umgang mit der Depression. Hilfe für Angehörige von Menschen mit Depressionen bieten auch spezielle Selbsthilfegruppen.
Depression und Beziehung
Depression und Partnerschaft lassen sich oft nur unter großen Anstrengungen miteinander vereinen. Eine Partnerschaft lebt vom gegenseitigen Geben und Nehmen. Doch Menschen in einer depressiven Phase sind zwar stark auf Unterstützung angewiesen, aber kaum in der Lage, etwas zurückzugeben.
Auch die Sexualität leidet. Bei depressiven Menschen erlischt oft das Interesse am Sex. Sie weisen die sexuellen Bedürfnisse ihres Partners zurück. Wenn das in Ihrer Beziehung der Fall ist, denken Sie daran: Das verlorene Interesse an Sex bedeutet nicht, dass Ihr depressiver Partner Sie nicht mehr liebt und Sie ablehnt, sondern ist Merkmal der Depression.
Insgesamt werden die Beziehung und die eigene Zuneigung sehr auf die Probe gestellt, wenn der Partner depressiv ist. Vielleicht entwickeln Sie Schuldgefühle, weil es nicht möglich ist, Ihrem Partner zu helfen, und Sie sich eventuell sogar über ihn ärgern. Dauert die Depression länger an, stellt sich oft ein Gefühl von Überforderung und Erschöpfung ein, weil Sie emotional stark belastet sind und dem Patienten viele Aufgaben abnehmen müssen.
Wenn ein Partner an einer Depression erkrankt, kommt es infolgedessen recht häufig zu einer Trennung. Nicht nur, weil der Angehörige mit der Situation überfordert ist. Auch Depressive trennen sich von ihrem Partner, zum Beispiel, weil sie sich nicht mehr verbunden oder von ihrem Lebensgefährten verstanden fühlen.
Experten raten jedoch Betroffenen und Angehörigen, folgenreiche Lebensentscheidungen wie eine Trennung nicht in einer depressiven Episode zu treffen, sondern vorher professionelle Hilfe zurate zu ziehen.
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Dilling, H. & Freyberger, H. J.: Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen. Huber Verlag, 9. Auflage, 2019
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Deutsche Depressionshife: Deutschlandbarometer 2018. Auswirkungen der Depression auf Familie und Partnerschaft, unter: www.deutsche-depressionshilfe.de (Abruf: 03.03.2022)