Vom Biwak zum Rock-Konzert
Hausberge haben etwas ganz besonderes an sich. Zu ihren Füßen wächst man auf und in den meisten Fällen dominieren sie das Ortsbild. Sie sind prägend und in meinem Fall umringen sie das Dorf in dem ich aufgewachsen bin an drei Seiten. Heute würde ich es als Dreikant-Ort bezeichnen. Während sich im Osten und Westen bewaldete Riesen auftun, ist Weißenbach bei Liezen im steirischen Ennstal Richtung Norden von einer mächtigen Felswand begrenzt. The Wall, nur kaum Eis, keine Nachtwächter und definitiv weniger erschreckende Monster hier in den südlichen Ausläufern des Toten Gebirges.
So tot ist das Gebirge nicht
Die Gipfel dieser Mauern sehen, von Süden aus betrachtet, wie eine flach am Boden liegende Frau aus. Die schlafende Jungfrau, so der Flurname der Gipfelkette. Dahinter erheben sich die Berge der Warscheneck-Gruppe, welche sommers wie winters Erholungs-Suchende magisch anziehen. Auch mich, ganzjährig und immer wieder. Besonders der Angerkogel hat es auf meiner Liste zu einer besonderen Berühmtheit gebracht. Hier habe ich mich mit einer Freundin im Nebel verirrt und wir mussten, nachdem wir viele Stunden durch den Schnee stapften und sich der Nebel dann lichtete, vom Hubschrauber geborgen werden. Doch das ist eine andere Geschichte.
Man ergibt sich gerne der Illusion, seine Hausberge in- und auswendig zu kennen. Aber meistens irrt man sich. Und das ist auch gut so – denn mit offenen Augen und Ohren kann man selbst in der näheren Umgebung von Zuhause immer noch Neues entdecken. Also mache ich mich wieder einmal auf den Weg, flankiert von meinen zwei schwarzen Hunden Rika & Road, um etwas Leben ins Toten Gebirge zu bringen.
Sterne, so weit das Auge reicht
Es soll eine sternenklare Nacht werden. Und mit Tiefblicken auf das Enns- und Paltental auch eine sehr Beeindruckende. Nahe dem Abgrund, neben dem Gipfelkreuz des Nazogls, finde ich die einzig halbwegs ebene Fläche. Perfekt. Kaffee und Gaskocher dürfen natürlich nicht fehlen – und weil der Anstieg weniger schweißtreibend war als erwartet, erfreuen sich nun die Hunde an meinem Jausenbrot. Ich genieße lieber die drei Tafeln Zotter Schokolade.
Es ist angenehm warm und einem erholsamen Schlaf steht nichts im Wege. Um Mitternacht klingelt der Wecker: ach ja, ich möchte mein beleuchtetes Zelt unter dem Sternenhimmel fotografieren. Puhhh, aber was soll’s. Also schäle ich mich geplagt aus meinem Schlafsack und rein in die Daunenjacke. So schläfrig und müde ist es dann doch recht frisch. Die Nacht ist kalt und klar, perfekt zum Knipsen.
Ich genieße noch einen Moment die Blicke auf das beleuchtete Ennstal und gen Himmel. Müde und glücklich über die Fotos kuschle ich mich wieder zurück ins Zelt. Der warme Schlafsack wurde inzwischen von den Hunden beschlagnahmt. „Kommt’s, runter“ hilft wenig. Grimmig schauen mich die beiden an, als ich sie vom Schlafsack auf die Decke schiebe.
Auf zur Hütte
Früh morgens werde ich wach, Action rund um das Zelt. Rika bellt gleich mal lautstark los. Ich schaue auf die Uhr und denke, dass ich noch träume. 5:30 h zeigt das Handy, was ist denn da los? Wer nicht oben schlafen will um den Sonnenaufgang zu sehen, der bricht eben früh im Tal auf um rechtzeitig hier zu sein. So auch eine Familie aus dem Tal – inklusive neugierigem Golden Retriever der rund um unser Zelt schnuppert.
Wenigstens haben die Hunde jemanden zum Spielen. Und ich sollte ohnehin aufbrechen, die Überschreitung über den Angerkogel zur Luckerhütte und weiter zur Hochmölbinghütte ist lang. Aber heute zahlt sich das aus – The Rocking Rats spielen auf der Alm auf. Und wer die Ratten kennt, der weiß dass das gut wird. Doch zuerst heißt es alles wieder im Rucksack verstauen, das schwere Ding mühevoll auf den Rücken zu hieven und in die Gänge zu kommen.
Alpines Rock-Konzert mit den Ratten
Nach mehreren Stunden, einer kurzen Verschnaufpause bei der Quelle an der Luckerhütte und vielen Rehen, Hasen und anderem Getier später komme ich rechtzeitig zum Kaiserschmarr’n auf der Hochmölbinghütte an. Die Musi ebenfalls – samt Bassboxen, Verstärker und Instrumenten. Darunter ein großer dicker Kontrabass und für eine kurze Zeit vergesse ich, auf der Alm zu sein. Die Musiker sehen entspannt aus, das liegt wohl daran, dass der Wirt die schweren Instrumente und Ausrüstung mit dem Allrad-Spezialgefährt hoch transportierte.
Nach einer zünftigen Stärkung und einer Hopfenkaltschale geht das Almkonzert auch schon los. Weil die Hütte wie üblich sehr voll ist und ich mein Zimmer im Dachboden aufopfernd gerne für einen weiteren Gast hergebe, baue ich erneut das Zelt auf. Schön leise, frische Luft und keine Rucksack-Raschler in der Nacht, herrlich. In meinen Ohren brummt noch der Bass der Ratten nach und ich schlafe hundemüde und zufrieden.