Interview: KUG-Rektorin Elisabeth Freismuth über das Mentoring-Projekt der GRAWE
GRAWE: Liebe Frau Freismuth. Wie passen Versicherungsgesellschaft und Kunstuniversität
zusammen?
Elisabeth Freismuth: Sehr gut! Schon im Bereich unserer jeweiligen Kerntätigkeit gibt es – teils äußerst spannende – Berührungspunkte. Musikerinnen und Musiker lassen ja nicht nur ihre oft äußerst wertvollen Instrumente versichern, sondern z.B. auch ihre Hände. Im Fall der Kunstuniversität Graz und der Grazer Wechselseitigen ist die Verbindung aber auch eine historische, die bereits über 200 Jahre zurückreicht. Beide Institutionen sind ja eng mit der Persönlichkeit und dem Innovationsdrang Erzherzog Johanns verknüpft, wir danken ihm, dass wir uns als Österreichs älteste Musikuniversität bezeichnen dürfen.
GRAWE: Das Mentoringprojekt der Kunstuniversität Graz und der GRAWE, das bedürftigen Studierenden das Studium ermöglicht, geht heuer ins dritte Jahr. Wie ist es zu diesem gemeinsamen Projekt gekommen?
Elisabeth Freismuth: Wir sind eine sehr internationale Universität, mehr als die Hälfte unserer Studierenden kommen nicht aus Österreich sondern aus aktuell 69 verschiedenen Nationen und von allen Kontinenten dieser Erde. Wir bilden Menschen aus der ganzen Welt für die ganze Welt aus. Vor diesem Hintergrund wird schnell klar, dass das österreichische bzw. für EU-BürgerInnen ausgerichtete Stipendienwesen hier nur sehr eingeschränkt helfen kann. Studierende aus sogenannten Drittstaaten zahlen (auch jetzt schon) für ihr Studium, haben aber sehr viel weniger Möglichkeiten, Unterstützung zu erhalten. Sie sind also am stärksten gefährdet, in eine Situation zu geraten, die es ihnen – trotz Fleiß und Talent – unmöglich macht, ihr Studium zu beenden. Für alle unsere Studierenden gilt, dass eine künstlerische Ausbildung, ja ein künstlerischer Lebensweg, hoch kompetitiv ist. Neben dem Studium auch noch zu jobben, ist in vielen Fällen einfach nicht möglich. Auch heimische Studierende können so problematische Engpässe erleben, etwa, wenn eine Reparatur am Instrument ansteht. Wir sind aber der festen Überzeugung, dass Kunst unteilbar zum Menschsein gehört – Talent muss gefördert werden, unabhängig von sozialer oder nationaler Herkunft. Deshalb habe ich mit dem Mentoring-Projekt – unterstützt von so großartigen Partnern wie der GRAWE – eine besondere Form der Förderung etabliert, die vom direkten Austausch lebt. Es zählen hier auf Seiten der Studierenden Talent und soziale Bedürftigkeit. Zugleich geht es beim Mentoring aber um eine Begegnung auf Augenhöhe – auch unsere Studierenden haben denen, die sie als Mentorinnen oder Mentoren begleiten, viel zu geben.
GRAWE: Der hier federführende, ehemalige Generaldirektor Othmar Ederer hat gesagt, dass ein Versicherer nie “isoliert” in seinem Land lebt. Die Verbindung Kunst und Wirtschaft, eine Erfolgsgeschichte, die sich bewährt hat?
Elisabeth Freismuth: Ich denke, dass Wirtschaft wie Kunst sehr viel in der Gesellschaft bewegen können – jede auf ihre ganz spezifische Weise. In einem Projekt wie diesem wird ein exemplarisches Miteinander sichtbar, das die Welt ein kleines Stück weit positiv verändert.
GRAWE: Die GRAWE unterstützt jedes Jahr vier junge musikalische Talente aus den CEE-Ländern. Wie funktioniert das Auswahlverfahren?
Elisabeth Freismuth: Mentoring an der Kunstuniversität Graz ist mehr als ein Förderprogramm, im Mittelpunkt steht die menschliche Begegnung. Es ist eine große Freude für mich, zu sehen, wie prominent die GRAWE stets vertreten ist, wenn ihre Mentees z. B. zu einem Auftritt laden. Eine solche Begleitung müssen Studierende auch wollen. Unsere verantwortliche Projektleiterin, Frau Mag. Schreiner, tritt daher schon im Vorfeld in intensiven Austausch mit den betreffenden Studierenden und klärt auf sehr sensible Weise, ob diese Art Patenschaften verspricht, für beide Seiten ein Gewinn zu werden. Ich kann ihr hier nur aufs herzlichste Danke sagen, durch den Einsatz und die Menschenliebe, mit der sie dieses Projekt begleitet, konnte es erst für alle Beteiligten werden, was es ist. Eine Jury im Haus entscheidet dann über die Zuerkennung. Kriterien wie Fleiß, Begabung und soziale Bedürftigkeit sind dabei ausschlaggebend.
GRAWE: Ziel des Mentoring-Projekts ist es, dass sich die Studierenden ganz auf ihre künstlerische Entwicklung konzentrieren können. Welchen Beitrag leistet die GRAWE?
Elisabeth Freismuth: Neben einem Geldbetrag, der dem Mentee für einen gewissen Zeitraum Sicherheit gibt, ist es die unglaublich wichtige Tatsache, dass es mit einem Mentor/einer Mentorin jemanden gibt, der hinter einem steht, an den man sich wenden kann, der sich interessiert. Das gibt Sicherheit – und ist auch oft eine „Versicherung“ im besten Sinne.
GRAWE: Was sagen die Studierenden eigentlich zu diesem Projekt?
Elisabeth Freismuth: Wir haben in unserer Zeitschrift „Grazkunst“ ein exemplarisches Gespräch zwischen Mentorin und Mentee veröffentlicht. Zwei Dinge hat der junge Jazzpianist angeführt: Die – nicht zuletzt mentale – Unterstützung, die ihn dazu brachte, hoch ambitionierte und auch sehr persönliche Projekte umzusetzen. Und der erfrischende zwischenmenschliche Austausch mit jemandem, der endlich mal kein Musiker ist.
GRAWE: Welche Erfahrungen aus diesem Projekt sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Elisabeth Freismuth: Hier gäbe es so viele Lebensgeschichten zu erzählen Nach zahlreichen Mentoring-Treffen habe ich außerordentlich Beglückendes erleben dürfen: Das ist eine ganz persönliche Erfolgsgeschichte für alle, die daran beteiligt waren und sind. Ich bin jedes Mal von neuem von der spürbaren Herzlichkeit und Freude, die diese Begegnungen erfüllt, sehr berührt.
GRAWE: Was hält die Zukunft bereit?
Elisabeth Freismuth: Wir haben es immer wieder mit neuen Studierenden aus aller Welt zu tun. Und diese werden uns immer wieder von neuem überraschen.
GRAWE: Liebe Frau Rektorin, vielen Dank für das Interview.
Bildcredits: Christian Jungwirth